Prof. Dr. Andreas Ransiek
Schrifttum:
Bilsdorfer, Die steuerstraf- und bußgeldrechtliche Verantwortlichkeit des steuerlichen Beraters, NWB 2004, 1055; Brenner, Zur Problematik der Begünstigung als Steuerstraftat, StW 1974, 122; Class, Die Kausalität der Beihilfe, in FS Ulrich Stock, 1966, S. 115; Grunst, Strafrechtlich relevante Pflicht von Amtsträgern außerhalb der Strafverfolgungsorgane zur Anzeige bzw. Verhinderung von Straftaten innerhalb der Behörde?, StV 2005, 453; Lohmeyer, Begünstigung und Strafvereitelung bei Zollstraftaten, ZfZ 1976, 300; Müller, Beratung – Tatbeteiligung – Begünstigung – Strafvereitelung? – Die Möglichkeiten und Grenzen für die beratenden Berufe, AO-StB 2005, 353; Philipkowski, Steuerstrafrechtliche Probleme bei Bankgeschäften, in Kohlmann (Hrsg.), Strafverfolgung und Strafverteidigung im Steuerstrafrecht, Grundlagen des Steuerstrafrechts heute, DStJG 6 (1983), S. 131; Ransiek, Pflichtwidrigkeit und Beihilfeunrecht – Der Dresdner Bank Fall und andere Beispiele, wistra 1997, 41; Ransiek, Die Information der Kunden über strafprozessuale und steuerrechtliche Ermittlungsmaßnahmen bei Kreditinstituten, wistra 1999, 401; Schwedhelm, Strafrechtliche Risiken steuerlicher Beratung, DStR 2006, 1017. – Zu Beihilfe und Begünstigung durch Bankmitarbeiter und Steuerberater s. auch das Schrifttum bei § 370 Rz. 165.
A. Grundlagen
I. Zur Entstehungsgeschichte
Rz. 1
Schon § 356 RAO 1919 als Vorläufer des heutigen § 369 AO definierte Steuervergehen in ähnlicher Weise wie die heutige Regelung als "strafbare Verletzungen von Pflichten, die die Steuergesetze im Interesse der Besteuerung auferlegen"; ebenfalls eingeschlossen war die Begünstigung. Nach § 355 RAO 1919 fand das allgemeine Strafrecht Anwendung, soweit nichts Abweichendes vorgeschrieben wurde. Die Zusammenfassung in einer Norm durch § 391 RAO 1968 bedeutete inhaltlich ebenso wenig wie die sprachliche Neufassung eine Veränderung. Die gegenwärtige Fassung des § 369 AO stimmt wörtlich mit der des § 391 RAO überein, die dieser durch Art. 161 Nr. 1 EGStGB vom 2.3.1974 erhalten hatte. 1974 wurde die Formulierung strafbare Zuwiderhandlungen gegen Steuergesetze in § 391 Abs. 1 Nr. 1 RAO 1968 durch die noch heute geltende Formulierung Taten, die nach den Steuergesetzen strafbar sind, ersetzt. Das war sachlich bedeutsam, da nach der früheren Fassung ohne Belang war, ob der Straftatbestand selbst Teil eines Steuergesetzes war (s. Rz. 16). Neu aufgenommen wurde 1974 die Wertzeichenfälschung und deren Vorbereitung, soweit die Tat Steuerzeichen betrifft (s. Rz. 35 ff.).
Rz. 2– 8
Einstweilen frei.
II. Zweck der Vorschrift
1. § 369 Abs. 1 AO
Rz. 9
Die Legaldefinition des § 369 Abs. 1 AO dient der Vereinfachung der Gesetzestechnik. Der Gesetzgeber verwendet den Begriff der Steuerstraftaten sowohl im Bereich des materiellen Steuerstrafrechts (vgl. § 369 Abs. 2, § 371 Abs. 2 Nr. 1a, § 376 AO) als auch im Zusammenhang mit dem Steuerstrafverfahren (vgl. z.B. §§ 385, 386 AO). Durch die Definition der Steuerstraftaten in § 369 Abs. 1 AO werden unnötige Wiederholungen in den Normen der AO oder in anderen Gesetzen, die auf die Regelungen für Steuerstraftaten Bezug nehmen (etwa der Ende 2017 außer Kraft getretene § 128 Abs. 1 BranntwMonG), vermieden.
2. § 369 Abs. 2 AO
Rz. 10
Durch die Verweisung des § 369 Abs. 2 AO auf die allgemeinen Gesetze über das Strafrecht wird zum Ausdruck gebracht, dass die AO für das materielle Steuerstrafrecht keine abschließende Regelung darstellt. Soweit die §§ 370–376 AO ausdrückliche Regelungen für eine bestimmte Frage enthalten, gehen diese als leges speciales den allgemeinen strafrechtlichen Bestimmungen vor. Das Gleiche gilt aber auch, wenn steuerrechtliche Normen die Auslegung des Steuerstrafrechts abweichend vom allgemeinen Strafrecht verbindlich regeln, was der Formulierung des § 356 RAO 1919 ("soweit die Steuergesetze nichts Abweichendes vorschreiben") entspricht (s. Rz. 1; vgl. etwa zum Verhältnis steuerlicher Erklärungspflichten zu § 13 StGB § 370 Rz. 221 ff.). Falls die AO keine abschließende Regelung vorsieht, wie z.B. zur Frage der Unterbrechung der Verfolgungsverjährung in § 376 AO ("wird auch unterbrochen [...]"), muss auf die allgemeinen Vorschriften des Strafrechts zurückgegriffen werden. Allgemeines Gesetz des Strafrechts, das subsidiär Anwendung findet, ist neben dem StGB z.B. das JGG, das Sonderregelungen für Jugendliche und Heranwachsende enthält (zu § 369 Abs. 2 AO s. Rz. 80 ff.).
Rz. 11– 14
Einstweilen frei.