Rz. 80

[Autor/Stand] Bei § 370 AO folgt die Unterscheidung von Täterschaft und Teilnahme nach § 369 Abs. 2 AO (s. § 369 Rz. 80 f.) den allgemeinen Regeln des StGB. Täter ist nach § 25 StGB damit

Denkbar ist zudem, dass mehrere Täter unabhängig voneinander handeln. Ist jedem von ihnen der Erfolg des § 370 Abs. 1 AO trotz des eigenständigen Tatbeitrags des jeweils anderen als sein Werk zuzurechnen, ist jeder unmittelbarer Täter (Nebentäter)[2].

Vom Täter ist zu unterscheiden

  • der Anstifter, der einen anderen zu dessen Straftat bestimmt hat (§ 26 StGB), und
  • der Gehilfe, der einem anderen zu dessen Straftat Hilfe geleistet hat (§ 27 Abs. 1 StGB).
 

Rz. 81

[Autor/Stand] Täter ist damit derjenige, der eine eigene Straftat begeht, während der Teilnehmer (nur) an einer fremden Straftat mitwirkt. Die Steuerhinterziehung kann man dabei wie den Betrug nach § 263 StGB grundsätzlich als klassischen Fall der mittelbaren Täterschaft begreifen, da jedenfalls i.d.R. ein gutgläubiger Veranlagungsbeamter, der aufgrund falscher oder unvollständiger Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen die Steuer zu niedrig festsetzt, von demjenigen als Werkzeug für die Herbeiführung des Hinterziehungserfolgs eingesetzt wird, der die Angaben gemacht hat und deshalb das Geschehen lenkt. Die Unterscheidung verschiedener Beteiligungsformen ist auch beim Vorsatzdelikt nicht selbstverständlich. Ausländische Strafrechtsordnungen gehen teilweise von einem Einheitstäterbegriff aus, der im deutschen Recht für das Ordnungswidrigkeitenrecht gilt (§ 14 OWiG).

Wichtiger als die strafrechtliche Unterscheidung von Täterschaft und Teilnahme kann die steuerrechtliche Haftung nach § 71 AO sein (s. Rz. 1135 f.)[4]. Danach haften sowohl Täter als auch Teilnehmer für verkürzte Steuern bzw. zu Unrecht gewährte Steuervorteile einschließlich der Zinsen. Das hat insb. dann gravierende Konsequenzen, wenn die FG bei Entscheidungen nach § 71 AO die Schwelle zum vorsätzlichen Handeln des Beraters eher niedriger ansetzen als die Strafgerichte[5]; § 71 AO darf aber nicht zu einer gesetzlich nicht vorgesehenen Gefährdungshaftung umgedeutet werden[6]. Für das Vorliegen eines strafrechtlichen Tatbestands gilt auch im Besteuerungs- und im finanzgerichtlichen Verfahren der Grundsatz in dubio pro reo[7].

 

Beispiel 6

Steuerberater S erhielt Kenntnis davon, dass seine Mandantin A im Vormonat Umsätze von ungefähr 3 Mio. DM nicht erklärt hatte. Ihm war bekannt, dass die Geschäftsbücher nicht mehr ordnungsgemäß geführt wurden. Trotzdem ließ er durch sein Büro in den folgenden Monaten die Umsatzsteuervoranmeldungen der A fertigen. Die Besteuerungsgrundlagen wurden dabei einer seiner Mitarbeiterinnen telefonisch mitgeteilt. Diese Mitarbeiterin füllte die Formulare entsprechend aus, brachte den Kanzleistempel an und leitete sie der A zu, die sie beim FA einreichte. Die Zahlen waren falsch. Umsätze waren weggelassen und unberechtigte Vorsteuerbeträge geltend gemacht worden.

Das FG Nürnberg bewertet dieses Geschehen folgendermaßen: "Entdeckt der Steuerberater, dass beim FA abgegebene Steuererklärungen zur Verwirklichung des Tatbestands einer Steuerhinterziehung geführt haben, und fielen die Abgabe und die Erstellung der unrichtigen Erklärungen in den Zeitraum, für den der Steuerberater bereits verantwortlich war, muss er den Mandanten entsprechend aufklären, beraten und zur Selbstanzeige auffordern. Er selbst darf ohne gesonderte Beauftragung eine Selbstanzeige zwar nicht erstatten, weil der Beratungsauftrag hierfür im Regelfall keine Berechtigung enthält. Weigert sich aber der Mandant, eine Selbstanzeige zu erstatten bzw. den Berater damit zu beauftragen, ist es aus standesrechtlichen Gründen erforderlich, das Mandat niederzulegen"[8].

Es ging dabei um Umsatzsteuerschulden der (später insolvent gewordenen) A i.H.v. 800.000 DM. Beim Vorwurf vorsätzlichen Handelns ist von der Berufshaftpflichtversicherung kein Ausgleich zu erwarten. Zutreffend ist hier die Annahme des FG, dass die unrichtige Umsatzsteuervoranmeldung allein als Erklärung der A anzusehen ist, nicht aber als eine des S oder seiner Mitarbeiterin (s. Rz. 107.1 ff.). Weder S noch seine Mitarbeiterin sind deshalb täterschaftlich nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO verantwortlich. Zur Beihilfeproblematik s. Rz. 185 ff. Zu den berufs- und disziplinarrechtlichen Folgen s. Rz. 1184 ff.

Kann nicht geklärt werden – etwa bei einer Beihilfe durch Anonymisierung von Kapitaltransfers ins Ausland zugunsten nicht ermittelter Bankkunden –, ob und in welchem Umfang Steuerhinterziehungen begangen wurden, ist wegen der Feststellungslast der FinB § 71 AO zu verneinen[9]. Die bloße Wahrscheinlichkeit, dass Steuern hinterzogen wurden, genügt nicht.

[Autor/Stand] Autor: Ransiek, Stand: 01.05.2022
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