Rz. 60

[Autor/Stand] Nach § 2 Abs. 1 StGB i.V.m. § 369 Abs. 2 AO richten sich die Strafe und die Nebenfolgen nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat (§ 8 StGB) gilt (Tatzeitprinzip). Das darin liegende Rückwirkungsverbot ist verfassungsrechtlich durch Art. 103 Abs. 2 GG und durch Art. 7 Abs. 1 EMRK abgesichert, wodurch dem Gesetzgeber der Erlass rückwirkender Strafgesetze zu Lasten des Täters verwehrt ist (s. Rz. 25, 29 ff.). Das Rückwirkungsverbot gilt einfachgesetzlich nach § 2 Abs. 5 StGB auch für Einziehung und Unbrauchbarmachung, dagegen nach § 2 Abs. 6 StGB nicht für Maßregeln der Besserung und Sicherung, die nicht dem Schuldausgleich, sondern der präventiven Gefahrenabwehr dienen[2]. Die h.M. geht davon aus, dass insofern verfassungsrechtlicher Schutz nach Art. 103 Abs. 2 GG nicht besteht (s. Rz. 29.1). Der Gesetzgeber ist deshalb nicht ausnahmslos gehindert, rückwirkend die Geltung einer schärferen Einziehungsregelung anzuordnen (zum Schutz vor Rückwirkung aus Art. 20 Abs. 3 GG s. Rz. 29.3).

 

Rz. 61

[Autor/Stand] Eine Tat ist in dem Zeitpunkt begangen, in dem der Täter die für die Verwirklichung des Tatbestands entscheidende Handlung ausgeführt hat, bzw. – bei pflichtwidrig unterlassener Handlung – spätestens hätte handeln müssen (§ 8 StGB i.V.m. § 369 Abs. 2 AO).

 

Rz. 62

[Autor/Stand] Für die Strafbarkeit wegen Teilnahme an einer Steuerhinterziehung kommt es nach der ausdrücklichen Regelung des § 8 Satz 1 StGB auf den Zeitpunkt der Begehung der Beihilfehandlung, nicht auf den Zeitpunkt der Begehung der Haupttat an[5]. Der Zeitpunkt der Beihilfehandlung kann deshalb ggf. ganz erheblich vor Begehung der eigentlichen Steuerstraftat liegen (zur Beihilfe durch Bankmitarbeiter s. § 369 Rz. 66 ff. und Rz. 153 ff.) Für die Teilnahme an einer gewerbsmäßigen Steuerhinterziehung nach § 370a AO a.F. war es deshalb bspw. erforderlich, dass nicht nur die Haupttat, sondern auch die Teilnahmehandlung nach Inkrafttreten des § 370a AO a.F. begangen wurde[6].

[Autor/Stand] Autor: Ransiek, Stand: 01.05.2022
[2] Vgl. auch Joecks in JJR8, § 369 AO Rz. 32; s. auch Kühl in Lackner/Kühl29, § 1 StGB Rz. 8; zur Sicherungsverwahrung s. BVerfG v. 4.5.2011 – 2 BvR 2333/08, 2 BvR 2365/09, 2 BvR 571/10, 2 BvR 740/10, 2 BvR 1152/10, BVerfGE 128, 326 = NJW 2011, 1931 = wistra 2011, 259; EGMR v. 17.12.2009 – 19359/04 – M./Deutschland, NJW 2010, 2495.
[Autor/Stand] Autor: Ransiek, Stand: 01.05.2022
[Autor/Stand] Autor: Ransiek, Stand: 01.05.2022

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