Ingo Heuel, Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
Rz. 1343
Bei Schwarzlohnabreden muss zwischen der Hinterziehung der vom Arbeitgeber monatlich anzumeldenden Lohnsteuer und der Hinterziehung der jährlich zu erklärenden Einkommensteuer des Arbeitnehmers unterschieden werden. Unstreitig handelt es sich dabei um jeweils selbständige Taten i.S.v. § 53 StGB (s. Rz. 915 und 1314), so dass es in einem Veranlagungszeitraum aufgrund desselben Lebenssachverhaltes zu bis zu 13 materiell-rechtlichen Hinterziehungstaten kommen kann.
Rz. 1343.1
Bislang noch nicht höchstrichterlich geklärt ist, ob – entsprechend der Umsatzsteuerhinterziehung – die Beteiligung des Arbeitnehmers an den fremdnützigen monatlichen Lohnsteuerhinterziehungen eines Jahres durch den Arbeitgeber und die anschließende Hinterziehung der Einkommensteuer des nämlichen Jahres durch den Arbeitnehmer bzw. umgekehrt die Beteiligung des Arbeitgebers an der eigennützigen Einkommensteuerhinterziehung des Arbeitnehmers eine einheitliche prozessuale Tat i.S.v. § 264 StPO bilden. Das OLG Zweibrücken hatte dies verneint.
Dagegen sprechen sich Merz/Ebner für Fälle von (Teil-)Schwarzlohnabreden für eine prozessuale Tatidentität aus. Der Unrechts- und Schuldgehalt könne nur insgesamt gewürdigt werden. Lohnsteueranmeldung und Einkommensteuerklärung beträfen dieselbe Steuerart und dasselbe Steueraufkommen des jeweiligen Jahres. Die Lohnsteuer sei nur eine besondere Erhebungsform der Einkommensteuer (§ 38 Abs. 1 Satz 1 EStG). Auch sei die gemeinsame "deliktische Haftung" von Arbeitgeber und Arbeitnehmer gem. § 71 AO zu berücksichtigen.
Gegen einen derartigen inneren Zusammenhang spricht aber der lange Zeitraum zwischen Lohnsteueranmeldungen und Einkommensteuererklärung. Zudem ist die Lohnsteueranmeldung eine eigene Steuererklärung i.S.v. § 150 AO. Im Gegensatz zur Umsatzsteuererklärung fallen die Erklärungspflichtigen auseinander. Auch bei Tatbegehung durch Unterlassen scheidet eine mittäterschaftliche Zurechnung wegen der erforderlichen Sonderdeliktseigenschaft aus (s. Rz. 1320.1).
Die unterschiedlichen Auffassungen machen sich vor allem bei der Frage nach dem Strafklageverbrauch bemerkbar (s. grundlegend dazu § 385 Rz. 1315 ff.). Bei Annahme prozessualer Tatidentität sind bei Anklage der Lohnsteuerhinterziehung eines Monats zugleich die elf anderen Monate desselben Veranlagungszeitraums und die Beihilfe zur Einkommensteuerhinterziehung des Arbeitnehmers angeklagt. Sie könnten mit abgeurteilt werden, ohne dass es einer Nachtragsanklage bedürfte. Ein rechtlicher Hinweis entsprechend § 265 StPO reichte insoweit aus.
Auch wäre eine gemeinschaftliche Verteidigung des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers durch denselben Verteidiger/Steuerberater gem. § 392 AO nicht zulässig, denn dann würde es sich um dieselbe Tat i.S.v. § 146 StPO handeln.
Zur Strafmilderung bei Ahndung beider Haupttaten s. Rz. 1330, 1335. Zur möglichen Verfahrensbeschränkung gem. § 154a Abs. 1 StPO s. Rz. 1330.
Rz. 1343.2
Beläuft sich die Lohnsteuer für das Vorjahr auf nicht mehr als 1.080 EUR, so ist der Voranmeldezeitraum das Kalenderjahr (§ 41a Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 EStG), zwischen 1.080 EUR und 5.000 EUR das Quartal (§ 41a Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 EStG) und bei höheren Beträgen jeder Monat (vgl. § 41a Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 EStG). Soweit monatliche Lohnsteueranmeldungen abgegeben werden müssen, stellt die Nichtabgabe jeder einzelnen dieser Lohnsteueranmeldungen eine eigenständige Steuerhinterziehung durch Unterlassen dar (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO).
Rz. 1343.3
Die Lohnsteuerhinterziehung trifft regelmäßig tatmehrheitlich zusammen mit dem Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen gem. § 266a StGB und Betrug zu Lasten der Sozialkassen gem. § 263 StGB (s. Rz. 915 und § 385 Rz. 1334 f. und die vorst. Literatur-Nachw.). Es handelt sich um selbständige Taten im materiell-rechtlichen und prozessualen Sinne. Zu den Konkurrenzen bei der Beteiligung an der wiederholten Lohnsteuerhinterziehung im Rahmen eines uneigentlichen Organisationsdelikts s. auch § 385 Rz. 1329.
Rz. 1343.4
Dagegen fallen monatliche Beihilfehandlungen zur Lohnsteuerhinterziehung (§ 370 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 Satz 1 Halbs. 2, § 150 Abs. 1 Satz 3, § 168 Satz 1 AO, § 41a EStG) auf der einen sowie zum Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt (§ 266a Abs. 1, 2 StGB) auf der anderen Seite tateinheitlich begangen zusammen, denn insoweit leistet der Gehilfe keine Beiträge, die entweder nur der Lohnsteuerhinterziehung oder nur den Taten des § 266a StGB zuzuordnen wären.
Rz. 1343.5
Bei gleichzeitigem Vorenthalten von Arbeitgeberbeiträgen nach § 266a Abs. 1 StGB und Arbeitnehmerbeiträgen nach § 266a Abs. 2 Nr. 2 StGB ist nach der Rspr. des BGH von einer einheitlichen Tat und nicht von Tateinheit auszugehen, bei der die zusätzliche Verwirklichung von § 266a Abs. 2 Nr. 2 StGB lediglich im Rahmen des Schuldumfangs Berücksichtigung findet.
In den vorbezeichneten Fällen der Verkennung des Konku...