Ingo Heuel, Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
a) Einseitige Verkürzung durch den Arbeitgeber
Rz. 1323
Eher selten kommt es vor, dass der Arbeitgeber die Lohnsteuer zwar einbehält, sie aber ohne Wissen des Arbeitnehmers nicht anmeldet und damit nicht abführt. Dann bleibt der vertraglich vereinbarte Bruttolohn die Bemessungsgrundlage für die hinterzogene Lohnsteuer, weil in diesem Fall dem Arbeitnehmer die Lohnsteuer wirtschaftlich vom Arbeitgeber zufließt; der Arbeitnehmer ist in dieser Höhe vor einer Inanspruchnahme durch das Finanzamt sicher (vgl. § 42d Abs. 3 Satz 4 Nr. 2 EStG Rz. 38.327); die Lohnsteuer wird nur beim Arbeitgeber eingefordert.
Die Lohnsteuer wird gleichwohl in diesem Fall auf die Einkommensteuerschuld des Arbeitnehmers angerechnet, so dass sich zusätzlich ein – nur bei der Strafzumessung relevanter – Erstattungsschaden ergibt.
b) Schwarzlohnabrede
Rz. 1324
Der Taterfolg der Lohnsteuerhinterziehung bestimmt sich, unabhängig davon, ob im Einzelfall eine Steuerverkürzung auf Zeit oder auf Dauer vorliegt (s. dazu Rz. 1322.1, 1334), nach dem Nominalbetrag der verkürzten Steuer und nicht etwa – bei einer Steuerverkürzung auf Zeit – nur der Zinsschaden (s. Rz. 502).
Rz. 1325
Der in der Praxis häufigste Fall ist aber, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer zum Zweck der Hinterziehung von Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträgen einverständlich/kollusiv zusammenwirken. Dabei gibt es Unterschiede bei den – im Urteil festzustellenden – Bemessungsgrundlagen für die Lohnsteuer und die Sozialversicherungsbeiträge.
Rz. 1325.1
In der Vereinbarung, dass ein bestimmtes Arbeitsentgelt voll und ohne Abzüge ausgezahlt wird, liegt keine Nettolohnvereinbarung, da Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge nicht abgeführt werden und damit die Rechtsfolge einer Nettolohnvereinbarung, d.h. die Befreiung des Arbeitnehmers von der Lohnsteuerpflicht und Beitragslast, gerade nicht eintreten soll.
Die Vereinbarung, dass der Arbeitslohn ohne Einbehalt der Lohnsteuer ausgezahlt werden soll und i.d.R. auch ohne Abruf der ELStAM stellt im steuerlichen Sinne eine Bruttolohnabrede dar. In steuerlicher Hinsicht ist bei einverständlicher Schwarzarbeit für den Zufluss der geldwerten Vorteile (Lohnzuwendung) nicht bereits auf die früheren Lohnzahlungen abzustellen, sondern erst auf die spätere Inhaftungnahme des Arbeitgebers durch das FA und den Sozialversicherungsträger nach Aufdeckung der Lohnsteuerhinterziehung und des Beitragsbetrugs. Auf die nachzuerhebenden Beiträge und Lohnsteuer ist wiederum Lohnsteuer zu entrichten (Nettolohnsteuer, sog. "Steuer auf die Steuer"). Diese Nettolohnsteuer wird also erst durch Haftungsbescheid gegenüber dem Arbeitgeber ausgelöst. Sie ist damit nicht Gegenstand der durch die Schwarzlohnzahlungen bewirkten Lohnsteuerhinterziehung.
Der BGH begründet dies mit dem im Einkommen- und Lohnsteuerrecht maßgeblichen Zuflussprinzip i.S.d. § 8 Abs. 1, § 11 Abs. 1 Satz 1, § 38a Abs. 1 EStG. Sie hat insb. Auswirkungen für die Berechnung des Umfangs der verkürzten Lohnsteuer: Die Höhe der während der Lohnzahlungen fortlaufend monatsweise hinterzogenen Lohnsteuer bemisst sich also nach dem bar gezahlten Lohn als Bruttolohn ("brutto für netto", s. Rz. 1327).
Rz. 1325.2
Die Schwarzlohnabrede (Bruttolohnabrede) im Lohnsteuerrecht "gilt" dagegen im Sozialversicherungsrecht als (unechte) Nettolohnvereinbarung, die dort zur Hochrechnung auf den Bruttolohn als Bemessungsgrundlage der Sozialversicherungsbeiträge führt (§ 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV). Zur Berechnung der Höhe des Beitragsschadens nach § 266a StGB s. Rz. 1340 f.
Rz. 1326
Auf der Basis dieses Bruttolohns ist der Verkürzungsbetrag nach BGH wie folgt zu berechnen:
Lagen – wie z.B. bei Teilschwarzlohnzahlungen – dem Arbeitgeber die ELStAM des Arbeitnehmers vor oder stehen dem Tatrichter die betroffenen Arbeitnehmer für eine Vernehmung zur Verfügung, so ist die Steuerverkürzung für die schwarz bezahlten (Zusatz-)Löhne nach der jeweiligen Steuerklasse des Arbeitnehmers zu berechnen. Entsprechendes gilt, wenn dem Hauptlohn, der nach den individuellen Lohnsteuer-Merkmalen versteuert wurde, eine (steuerlich nicht anzuerkennende) geringfügige Beschäftigung hinzugerechnet werden muss.
Rz. 1326.1
Lässt sich nicht mehr ermitteln, an welche konkreten Arbeitnehmer Teilschwarzlohnzahlungen geleistet wurden, ist die Bestimmung eines eindeutigen Steuersatzes nach Maßgabe der §§ 39b, 32a EStG nicht möglich. Das Tatgericht darf dann auf Grundlage der noch vorhandenen Aufzeichnungen über Schwarzlohnzahlungen in einigen der Tatmonate den auf die Teilschwarzlohnzahlungen anfallenden Anteil der aus dem Gesamtbruttogehalt berechneten Lohnsteuer ermitteln. Der sich daraus ergebende Durchschnittsprozentsatz darf – vermindert um einen Sicherheitsabschlag – der Berechnung der hinterzogenen Lohnsteuer zugrunde gelegt werden.
Rz. 1327
Liegen, wie es regelmäßig bei Schwarzlohn-Abreden der Fall s...