Ingo Heuel, Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
Rz. 1130.20
Mit dem OrgKG vom 15.7.1992, welches im materiellen Strafrecht schwerpunktmäßig die Verbesserung der Zugriffsmöglichkeiten auf Verbrechensgewinne anstrebte, wurde der erweiterte Verfall (§ 73d StGB a.F.) eingeführt, der die Gewinnabschöpfung – bei besonders schwerwiegenden, für die organisierte Kriminalität typischen Taten – erleichtern sollte. Dieses Institut diente somit ursprünglich der Verbesserung des Zugriffs auf Tatgewinne aus schwerwiegenden Straftaten der organisierten Kriminalität. Bei schwerwiegenden Straftaten aus dem Bereich der organisierten Kriminalität konnte der erweiterte Verfall aufgrund eines Verweises durch die entsprechende Strafnorm angeordnet werden, wenn die Herkunft des Verfallsgegenstands für oder aus einer rechtswidrigen Tat zwar nicht beweisbar war, aber die Umstände eine dahin gehende Annahme rechtfertigten. Einige Autoren sprachen daher vom "Verfall auf Verdacht". Das BVerfG hat jedoch die Regelung und die vom BGH hierzu entwickelten Beweismaßanforderungen für verfassungskonform erklärt.
Rz. 1130.21
Durch das Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13.4.2017 wurde die erweiterte Einziehung von Taterträgen bei Tätern und Teilnehmern in § 73a StGB neu geregelt. Dabei wurde der Anwendungsbereich der erweiterten Einziehung erheblich ausgeweitet, da künftig jede rechtswidrige Tat als Anknüpfungstat in Betracht kommt. Wird also gegen eine Person ein Strafverfahren geführt, eröffnet § 73a StGB die Einziehung in Bezug auf alle inkriminierten Gegenstände des Täters.
Ferner setzt die Neuregelung die durch das BVerfG bestätigten Beweismaßanforderungen zur Auslegung des § 73d StGB a.F. um. Dies erfolgte, indem die abgesenkten Anforderungen an die Überzeugungsbildung ("wenn Umstände die Annahme rechtfertigen") gestrichen wurden. Der bloße Verdacht der illegalen Herkunft des Gegenstands reicht für dessen Einziehung nach § 73a StGB nicht aus. Notwendig – und zugleich ausreichend – ist, dass das erkennende Gericht nach erfolgter Beweisaufnahme und im Wege freier richterlicher Beweiswürdigung (§ 261 StPO) von der deliktischen Herkunft der betreffenden Gegenstände überzeugt ist. Begründen bestimmte Tatsachen die nicht nur theoretische Möglichkeit, dass Vermögensgegenstände des Täters aus anderen Quellen als aus rechtswidrigen Taten stammen, so scheidet die Anordnung der erweiterten Einziehung aus. Andererseits dürfen an die Überzeugungsbildung keine überspannten Anforderungen gestellt werden.
Rz. 1130.22
Wurde in der Vergangenheit bei einer Durchsuchung wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung inkriminiertes Bargeld aufgefunden, konnte dieses nicht im Wege des erweiterten Verfalls für verfallen erklärt werden, da § 370 AO keine Verweisung auf § 73d StGB a.F. enthielt. Nach der neuen Rechtslage hat hingegen eine erweiterte Einziehung nach § 73a StGB zu erfolgen, wenn nach den vorbeschriebenen Beweismaßstäben, die deliktische Herkunft des Bargeldes zur Überzeugung des Gerichts feststeht.
Rz. 1130.23
Angesichts des erheblichen Grundrechtseingriffs in Art. 14 GG, des im deutschen Strafverfahrensrecht geltenden Schuldprinzips sowie der Unschuldsvermutung erscheint die Neuregelung der erweiterten Einziehung und die damit verbundene unbegrenzte Ausweitung der Anknüpfungstaten höchst bedenklich.