Ingo Heuel, Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
Rz. 1333
Ausschlaggebender Faktor der Strafzumessung bei der Steuerhinterziehung ist die Höhe der hinterzogenen Steuer, die rechnerisch aus der Bemessungsgrundlage folgt (s. Rz. 1323 ff. sowie grundlegend Rz. 1026, 1029 ff.). Für den Schuldspruch wegen einer Lohnsteuerhinterziehung ist auf die am 10. des auf die Lohnzahlung folgenden Monats, dem Zeitpunkt der Tatbestandsverwirklichung (s. Rz. 1314, 1318), entstandene Lohnsteuer abzustellen.
Rz. 1334
Dabei kommt es auf die seinerzeitigen "Verhältnisse" des Steuerpflichtigen an (unter Umständen auch nach Ausübung eines Wahlrechts bzgl. der Steuerklasse, z.B. Antrag nach § 38b Abs. 1 Nr. 4 EStG oder § 1 Abs. 3 EStG).
Zur Strafzumessung bei Lohnsteuerhinterziehung auf Zeit oder – bei Schwarzlohnabreden – auf Dauer s. auch Rz. 1327 ff.
Der steuerliche Gesetzgeber hat bei Nichterhebung der ELStAM die Steuerklasse VI vorgesehen (s. Rz. 1327).
Sind dagegen – wie bei Teilschwarzlohnzahlungen – die Arbeitnehmer zu identifizieren, muss der Tatrichter nach neuerer BGH-Rspr. durch Vernehmung der (teilweise schwarz entlohnten) Arbeitnehmer die ELStAM quasi nachzubilden und die erforderlichen Daten im Rahmen der Beweisaufnahme festzustellen (s. Rz. 1326). Dabei können sich in der Praxis Probleme dadurch ergeben, dass das Antragsverhalten des Arbeitnehmers zum Zeitpunkt des Lohnsteuereinbehalts zu erforschen wäre.
Zudem verbleiben die eher theoretischen Ausnahmefälle, in denen trotz der Illegalität des Beschäftigungsverhältnisses nach der Vorstellung der Tatbeteiligten eine spätere Veranlagung des Arbeitnehmers und daran anschließend eine Anrechnung der einbehaltenen Lohnsteuer erfolgen sollte, so dass Lohnsteuerhinterziehung nur "auf Zeit" angelegt war (s. Rz. 1322 f., 1328.1).
Im Übrigen verbleibt es bei der Schuld und Strafzumessung grundsätzlich bei einer auf Dauer hinterzogenen Steuer nach den Verhältnissen der Steuerklasse VI, ohne dass es weitere Feststellungen zu den individuellen Besteuerungsmerkmalen bedarf.
Rz. 1335
Wird – wie im in Rz. 1330 bezeichneten Fall – der Arbeitgeber sowohl wegen Lohnsteuerhinterziehung als auch wegen (Beihilfe zur) Einkommensteuerhinterziehung des Arbeitnehmers verurteilt, ist, da dieselbe Steuerart und dasselbe Steueraufkommen des jeweiligen Jahres betroffen ist, strafmildernd zu berücksichtigen, dass das Steueraufkommen nicht in Höhe der Summe der beiden hinterzogenen Steuern gefährdet ist, sondern nur einmal.
Rz. 1335.1
Zur doppelten Strafmilderung des Arbeitnehmers als Gehilfe bei einer Lohnsteuerhinterziehung des Arbeitgebers durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) nach § 27 Abs. 2, § 28 Abs. 1 StGB wegen Fehlens des besonderen persönlichen Merkmals der Arbeitgebereigenschaft s. Rz. 1319, 1320.2 m.w.N.
Rz. 1336
Je nach Höhe des Lohnsteuerschadens kann auch eine Steuerhinterziehung "in großem Ausmaß" i.S.d. § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO vorliegen (dazu näher Rz. 1098 ff.).
Rz. 1337
Die Höhe der hinterzogenen Steuer wirkt sich auch mittelbar über ihren Einfluss auf die hochzurechnenden Gesamtsozialversicherungsbeiträge auf die bei § 266a StPO zu bildende Strafzumessung aus (Rz. 1325.2, 1340).
Mit dem neuen Regelbeispiel in § 266a Abs. 4 Nr. 3 StGB, gültig seit dem 24.8.2017, soll die organisiert mittels Abdeckrechnungen begangene Beitragsvorenthaltung bekämpft werden.
Rz. 1338
Mit Abdeckrechnungen verschleierte, nicht geltend gemachte Schwarzlohnzahlungen stellen nach st. BGH-Rspr. einen "anderen Grund" i.S.v. § 370 Abs. 4 Satz 3 AO dar und unterfallen damit dem Kompensationsverbot. Sie sind nach der Rspr. erst auf der Strafzumessungsebene – allerdings nur bzgl. der Ertragsteuern (Einkommen-/Körperschaft-/Gewerbesteuer) – berücksichtigungsfähig (s. Rz. 525, 1033). Werden nämlich Schwarzlohnzahlungen durch fingierte Subunternehmerrechnungen in der Buchhaltung verschleiert, stellt sich die Frage, ob durch die Geltendmachung der Abdeckrechnungen als Betriebsausgabe unzulässig Gewinne gemindert wurden und in der Folge ggf. auch eine Ertragsteuerhinterziehung vorliegt.
Rz. 1339
Unstreitig wirken sich aber Umsatzsteuer, Lohnsteuer und bis 2007 Gewerbesteuer sowie die nachzuentrichtenden Sozialversicherungsbeiträge gewinnmindernd aus. Rückstellungen für die hinterzogenen Steuern sind nach neuester BFH-Rspr. erst zu dem Bilanzstichtag zu bilden, zu dem der Stpfl. mit der Aufdeckung seiner Steuerhinterziehung rechnen musste. Gleiches gelte – so der BFH in einer früheren Entscheidung – für die Lohnsteuerhaftung, während Sozialabgaben bereits im Jahr der Entstehung zu passivieren seien. Eine Änderung der BFH-Rspr. zu den Sozialabgaben – also Passivierung zum Zeitpunkt der Entdeckung – ist jedoch absehbar.
Der BGH berücksichtigt dagegen die Umsatzsteuer und die Gewerbesteuer bereits im Entstehungsjahr gewinnmindernd auf der Tatbestandsebene, das Kompensationsverbot (§ 370 Abs. 4 Satz 3 AO) stehe d...