Ingo Heuel, Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
Rz. 212
Eine Angabe i.S.d. § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO macht derjenige, dem die Erklärung über steuerlich erhebliche Tatsachen inhaltlich zuzurechnen und der als ihr Urheber anzusehen ist (s. Rz. 107.1 ff.). Es reicht nicht aus, wenn jemand eine fremde Erklärung als Bote eines anderen überbringt (s. Rz. 107.2) oder die Erklärung für einen anderen inhaltlich vorbereitet (s. Rz. 107.4). Nicht erforderlich ist, dass der Täter selbst als Urheber der Erklärung erkennbar ist (s. Rz. 107.5). Zur Verantwortung von Ehegatten bei der Zusammenveranlagung und Mitunterzeichnung der Steuerklärung s. Rz. 115 ff. Zur Strafbarkeit des steuerlichen Beraters als Täter einer Steuerhinterziehung s. Rz. 108 ff., 114 ff.
Rz. 213
Die Erklärung muss der jeweiligen Behörde zugänglich gemacht werden. Eine unrichtige Verbuchung von Geschäftsvorfällen ist folglich keine Angabe, da sie nicht gegenüber den Behörden erfolgt (s. Rz. 1205). Die Erklärung kann schriftlich, mündlich (z.B. in einer Außenprüfung) oder durch sonstige Zeichen (s. Rz. 219) erfolgen. In der Praxis werden Erklärungen über steuerlich erhebliche Tatsachen häufig in gesetzlich vorgeschriebenen Steuererklärungen (§§ 149 ff. AO), per Datenübertragung (vgl. § 150 Abs. 6 AO) oder im Online-Verfahren via Elster erfolgen. Die Erklärung umfasst den gesamten Äußerungsinhalt. Dazu gehört auch das, was im Rahmen der Äußerung an Anlagen in Bezug genommen wird.
Rz. 213.1
Nach § 150 Abs. 7 Satz 2 AO gelten bestimmte Daten, die nach § 93c AO an die Finanzverwaltung übermittelt wurden, als Angaben des Stpfl., wenn dieser nicht in einem dafür vorgesehenen Abschnitt oder Datenfeld der Steuererklärung abweichende Angaben macht. Nach dem Jahressteuergesetz 2022 gilt das nur für diejenigen Daten nach § 93c AO, die in den Steuererklärungsformularen als eDaten gekennzeichnet sind oder bei nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung übermittelten Steuererklärungen für den Belegabruf bereitgestellt werden. Dadurch können unvollständige oder unrichtige Angaben des Stpfl. selbst zutreffend werden, wenn die vom Dritten übermittelten Daten zutreffend sind. Denkbar bleibt eine Strafbarkeit wegen versuchter Steuerhinterziehung. Übermittelt der Stpfl. hingegen vom Dritten bereits der FinB mitgeteilte unrichtige Daten, die automatisiert im Formular der elektronischen Steuererklärung vorausgefüllt sind, macht er unrichtige Angaben, wenn er die Richtigstellung im vorgesehenen Abschnitt unterlässt. Bemerkt der Stpfl. die Fehlerhaftigkeit der vorausgefüllten Daten erst nach Übermittlung der Erklärung, ist er nach § 153 Abs. 1 Nr. 1 AO zur Berichtigung verpflichtet (vgl. Rz. 334 ff.). Wird vom Stpfl. überhaupt keine Steuererklärung abgegeben, werden die erforderlichen Daten aber vom Dritten übermittelt, ist die FinB nicht in Unkenntnis der steuerlich erheblichen Tatsachen i.S.d. § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO (Rz. 576 ff.).
Rz. 214
§ 370 AO setzt tatbestandlich keine wirksame Steuererklärung voraus, sondern allein die zur Steuerverkürzung oder zum ungerechtfertigten Steuervorteil führende Bekundung. Trotz Fehlens einer eigenhändigen Unterschrift des Stpfl. ist ein auf eine solche mangelhafte Erklärung ergehender Steuerbescheid wirksam. Eine Strafbarkeit nach § 370 AO wegen Einreichung falscher Umsatzsteuervoranmeldungen wird deshalb nicht dadurch ausgeschlossen, dass die eingereichten Steuervoranmeldungen sich auf nicht existente Firmen sowie auf fingierte Umsätze und Vorsteuern beziehen und nicht unterschrieben oder nur mit einem unleserlichen Namenszeichen versehen sind. Für die Strafbarkeit wegen vollendeten Delikts muss aber trotz der Unwirksamkeit der Erklärung der Hinterziehungserfolg eintreten. Kommt es tatsächlich zur Auszahlung von Erstattungsbeträgen, ist es unerheblich, ob es zu einer wirksamen Steuerfestsetzung kommen konnte oder ob es sich bei den Steuerfestsetzungen um Nichtakte handelt (vgl. § 125 AO). Steuererstattungen sind auch dann Steuervorteile, wenn die Zahlungen nicht gerechtfertigt sind.