Ingo Heuel, Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
Rz. 860
§§ 52, 53 StGB regeln, wie die Strafbemessung bei mehreren Gesetzesverletzungen vorzunehmen ist. Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals (§ 52 Abs. 1 StGB), ist nur auf eine Strafe zu erkennen. Diese Strafe wird bei unterschiedlichen Strafgesetzen nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht (§ 52 Abs. 2 StGB). Hat dagegen jemand mehrere Straftaten begangen, die gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Strafen verwirkt (§ 53 StGB), so wird auf eine nach § 54 StGB zu bildende Gesamtstrafe erkannt. Im Fall des § 52 StGB stehen die mehrfachen, durch eine Handlung begangenen Gesetzesverletzungen in Idealkonkurrenz (Tateinheit), im Fall des § 53 StGB die durch mehrere Handlungen begangenen Gesetzesverletzungen in Realkonkurrenz (Tatmehrheit). Werden verschiedene Steuern, dieselbe Steuer für mehrere Besteuerungszeiträume oder durch unterschiedliche Stpfl. verkürzt, liegen immer mehrere Gesetzesverletzungen vor.
Rz. 861
Das bedeutet freilich nicht, dass schon immer dann, wenn mehrere Gesetzesverletzungen vorliegen, §§ 52, 53 StGB anzuwenden wären. Vor der Überlegung, ob § 52 oder § 53 StGB einschlägig ist, ist vielmehr die Frage zu behandeln, ob der Unrechtsgehalt einer der vom Täter verwirklichten Straftaten bereits durch die Bestrafung wegen einer weiteren Straftat mit abgedeckt ist, so dass allein wegen dieser anderen, vorrangigen Straftat eine Verurteilung erfolgt (sog. Gesetzes- oder Scheinkonkurrenz). Das ist insb. bei gesetzlich angeordneter Subsidiarität einer Strafnorm deutlich (bspw. in § 372 Abs. 2 AO). Es gibt dann kein Konkurrenzverhältnis, das nach §§ 52, 53 StGB zu behandeln wäre.
Rz. 862
Hinzu kommt, dass auch dann, wenn bei alltäglicher, natürlicher Betrachtung mehrere Handlungen und mehrere Gesetzesverletzungen vorliegen, z.T. gleichwohl nur eine einzige Tat (Gesetzesverletzung) gegeben ist. Der Tatbestand selbst verbindet dann mehrere Handlungen zu einer Einheit (tatbestandliche Handlungseinheit). So liegt etwa nur ein Einbruchsdiebstahl nach §§ 242, 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB vor (eine einzige Verletzung des Strafgesetzes), wenn der Dieb aus der Wohnung mehrere Sachen entwendet, und nicht die tateinheitliche oder -mehrheitliche Verwirklichung mehrerer Gesetzesverletzungen. §§ 52, 53 StGB finden keine Anwendung. Eine einzige Straftat der Beleidigung (§ 185 StGB) ist gegeben, wenn der Täter das Opfer unmittelbar aufeinanderfolgend mit mehreren Schimpfworten belegt. Es werden also schon innerhalb einer Tatbestandsprüfung Sinneinheiten gebildet, die mehrere Handlungen zusammenfassen. Zum Teil wird in solchen Fällen auch von natürlicher Handlungseinheit gesprochen.
Rz. 863
Früher galt im Steuerstrafrecht Gleiches bei der sog. fortgesetzten Tat, bei der die einzelnen Teilakte zwar für sich den Tatbestand des § 370 AO vollständig erfüllten, aber trotzdem (nur) als Ausschnitte eines einheitlichen Geschehens angesehen wurden, so dass sie als unselbständige Bestandteile einer Tat erschienen. Die Einzelakte bildeten also insgesamt eine einzige Straftat. Dieser Rechtsfigur kommt aber auch im Steuerstrafrecht zu Recht keine Bedeutung mehr zu (s. Rz. 874 f. und § 376 Rz. 116).
Rz. 864
Die konkurrenzrechtliche Einordnung der Einzeltaten berührt nach Auffassung des BGH deren Gesamtunrechts- und Schuldgehalt nicht. Deshalb "führt die Verurteilung wegen nur einer Tat oder wegen nur weniger tatmehrheitlicher Taten in aller Regel im Ergebnis zu einer den Angeklagten weder ungerechtfertigt belastenden noch unberechtigt begünstigenden Straffolge". Im Vergleich zu einer aus mehreren Teilakten bestehenden Straftat geht der Große Senat des BGH aber davon aus, dass die Höchststrafe für diese einzelne Tat in aller Regel niedriger als die sich bei Tatmehrheit aus § 54 Abs. 2 StGB ergebende Obergrenze sei. Deshalb gilt für die Feststellung von Tateinheit oder Tatmehrheit der Grundsatz in dubio pro reo (s. aber auch Rz. 865). So war bspw. von tateinheitlicher Begehung auszugehen, wenn nicht geklärt werden kann, ob unrichtige Erklärungen gleichzeitig abgegeben wurden (s. dazu Rz. 905, aber auch Rz. 865).
Rz. 865
Der Regelungsgehalt der §§ 52, 53 StGB ist auf die Strafenbildung beschränkt und nur für die Rechtfolgenseite relevant. Zur Auslegung von Tatbestands-, Qualifikationsmerkmalen sollen sie nach Auffassung des 3. Strafsenats des BGH keine Aussage enthalten, so dass insb. die Annahme von Tateinheit oder die einer aus mehreren selbständigen Teilen bestehenden einzigen Tat der Annahme gewerbsmäßigen Handelns nicht entgegensteht. Die konkurrenzrechtliche Einordnung könne keine geeignete Rechtfertigung dafür darstellen, eine gewerbsmäßige Tatbegehung zu verneinen.
"Eine andere Betrachtung würde dem Regelungsgehalt der §§ 52, 53 StGB nicht gerecht. Dieser erschöpft sich in Fragen der Strafenbildung (vgl. BVerfG v. 8.1.1981 – 2 BvR 873/80, B...