Rz. 595

[Autor/Stand] Das überwiegende Schrifttum zählt zu den Vertretern i.S.d. § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b AO die Personen, die kraft Gesetzes (§§ 34, 35 AO) oder Bevollmächtigung (§§ 80 f. AO) den Täter in rechtlichen und steuerlichen Angelegenheiten vertreten[2]. Da eine Vertretung im Willen aber nicht gefordert sei, brauche eine Vollmacht zur Entgegennahme von Willenserklärungen nicht vorzuliegen, so dass auch Personen dazu zählten, die mit dem Täter in einer so engen tatsächlichen oder rechtlichen Verbindung stünden, dass nach der allgemeinen Lebenserfahrung und der Verkehrsanschauung davon ausgegangen werden könne, dass sie zum Empfang amtlicher Mitteilungen befugt seien[3].

Anderer Ansicht nach ist vor dem Hintergrund des Gebots der Tatbestandsbestimmtheit der Vertreterbegriff den §§ 34, 35 AO zu entnehmen[4].

 

Rz. 596

[Autor/Stand] Nach dem hier vertretenen Lösungsansatz in Anlehnung an den Sphärengedanken unter Berücksichtigung der fiskalischen Zielsetzung der Vorschrift darf der Begriff des Vertreters auch aus Gründen der Rechtssicherheit nicht zu weit ausgedehnt werden. Entscheidend ist danach, ob der "Vertreter" zur Sphäre des Täters gehört, ob also unter gewöhnlichen Umständen damit gerechnet werden konnte, dass die mündliche oder schriftliche Einleitung des Steuerstraf- oder Bußgeldverfahrens durch die Mittlerperson an den Täter weitergereicht wurde. Eine generelle Vollmacht zur Wahrung von Geschäften, Entgegennahme von Willenserklärungen pp., insb. ein Vertretungsverhältnis i.S.d. §§ 164 ff. BGB braucht hier also nicht vorzuliegen.

Die Unterschiede der verschiedenen Ansätze sind letztlich marginal[6] (s. Rz. 598 f.).

[Autor/Stand] Autor: Schauf, Stand: 01.07.2021
[2] Kohler in MünchKomm/StGB3, § 371 AO Rz. 211; Kemper in Rolletschke/Kemper, § 371 AO Rz. 183 f.; Webel in Schwarz/Pahlke, § 371 AO Rz. 192.
[4] Hüls/Reichling in Hüls/Reichling2, § 371 AO Rz. 116; zust. Joecks in JJR8, § 371 AO Rz. 283.
[Autor/Stand] Autor: Schauf, Stand: 01.07.2021
[6] Insoweit zust. Joecks in JJR8, § 371 AO Rz. 283.

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