Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
Rz. 53
Der Täter muss hinsichtlich sämtlicher Tatbestandsmerkmale (bedingt) vorsätzlich handeln. Es gilt das zu § 370 Rz. 619 ff., 645 ff. Gesagte entsprechend. Im Einzelnen muss der Täter als sicher voraussehen oder für möglich halten und für den Fall des Eintritts billigend in Kauf nehmen, dass es sich um einen Gegenstand i.S.d. § 372 AO handelt, dass bzgl. des in Rede stehenden Gegenstands ein Ein-, Aus- oder Durchfuhrverbot besteht und er ihn entgegen dem Verbringungsverbot ein-, aus- oder durchführt. Unkenntnis (z.B. zur Bedeutung des grünen Flughafenausgangs, s. § 370 Rz. 219, 663, 1533.2) schützt allerdings nicht generell vor Strafe.
Rz. 54
Da es sich bei § 372 AO um ein sog. Blankettgesetz handelt (s. Rz. 9 und § 370 Rz. 20 ff.), muss sich der Vorsatz des Täters insbesondere auch auf die Merkmale der Ausfüllungsnorm beziehen.
Ist dem Täter also zur Tatzeit bspw. unbekannt, dass ein Verbringungsverbot besteht, so liegt nicht etwa nur ein Verbotsirrtum i.S.d. § 17 StGB vor. Vielmehr handelt es sich um einen vorsatzausschließenden Tatbestandsirrtum i.S.d. § 16 Abs. 1 Satz 1 StGB, so dass eine Bestrafung nach § 372 AO i.V.m. § 370 Abs. 1 oder Abs. 2 AO – sollte diese Schutzbehauptung nicht widerlegbar sein – ausscheidet, selbst wenn der Irrtum auf Fahrlässigkeit beruht, es sei denn, die Einzelgesetze sanktionieren eine fahrlässige Begehung (so z.B. § 22a Abs. 4 KrWaffKontrG; § 29 Abs. 4 BtMG; § 51 Abs. 4, § 52 Abs. 4, § 53 Abs. 1 WaffG; § 31 Abs. 5 TierGesG; § 17 Abs. 5 AWG oder § 80 AWV; § 40 Abs. 4 SprengG).
Rz. 55
Fahrlässige oder leichtfertige Verletzungen von Verbringungsverboten unterfallen nicht dem Tatbestand des § 372 AO. In diesen Fällen besteht daher auch keine Zuständigkeit für die Zollverwaltung noch kann die fahrlässige Zuwiderhandlung gegen ein Verbringungsverbot nach § 373 AO qualifiziert werden.
Rz. 55.1
Allerdings kann nach einigen spezialgesetzlichen Regelungen die fahrlässige verbotswidrige Verbringung einen Straf- oder Bußgeldtatbestand erfüllen (z.B. § 19 Abs. 1 i.V.m. § 18 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a AWG).
Rz. 55.2
Fehlt ein vorsätzliches Handeln, kommt zudem eine Ahndung fahrlässigen Verhaltens gem. 382 AO (Gefährdung von Einfuhr- und Ausfuhrabgaben) in Betracht. Dieses abstrakte Gefährdungsdelikt umfasst auch fahrlässige Zuwiderhandlungen gegen Zollvorschriften, den dazu erlassenen Rechtsverordnungen oder den Verordnungen des Rates oder der Kommission der EU, die für die zollamtliche Überwachung des grenzüberschreitenden Warenverkehrs und die Durchführung von Zollverfahren gelten (s. näher dazu die Erl. zu § 382).
Rz. 56
Einen den Vorsatz ausschließenden Irrtum über den Kausalverlauf hat der BGH etwa in einem Fall angenommen, in dem die Betäubungsmittel einem Drogenkurier vor der geplanten Einfuhr im Ausland gestohlen und von dem Dieb selbst anschließend nach Deutschland eingeführt wurden; der unbemerkte Verlust der Herrschaft über die Betäubungsmittel durch die Wegnahme unterbrach die von dem Auftraggeber des Drogentransports und dem Kurier in Lauf gesetzte und begründete eine völlig neue, unabhängige Kausalkette. Eine wesentliche, den Vorsatz ausschließende Abweichung des tatsächlichen vom vorgestellten Kausalverlauf liegt auch vor, wenn die im Ausland bestellten und auftragsgemäß in eine Wanduhr eingearbeiteten und anschließend versandten Drogen zwar die deutsche Grenze passieren, zuvor aber nach Entdeckung der Sendung in London durch britische Zollbehörden bewacht weitergeleitet werden. In diesen Fällen kann der Taterfolg den Angeklagten nicht zugerechnet werden. Es kommt nur eine versuchte Einfuhr – ggf. in Tateinheit mit vollendetem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln – in Betracht.
Rz. 57
In der Praxis werden Irrtumsfragen oft als bloße Schutzbehauptungen abgetan oder bestenfalls Ermittlungsverfahren gem. § 153 Abs. 1 StPO eingestellt (z.B. bei Bezug gefälschter Medikamente aus dem Ausland über das Internet).