Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
Rz. 2
Als "Bannbruch" ("Bann" = Verbot) wird die verbotswidrige Einfuhr, Ausfuhr oder Durchfuhr von Gegenständen geahndet. Die Verbote dienen dabei durchweg steuerfremden Zwecken (z.B. dem Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, dem Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen, Tieren und Pflanzen, dem Umweltschutz, der Außenwirtschafts- und Verteidigungspolitik, dem Kulturgüterschutz und dem gewerblichen Rechtsschutz).
Rz. 3
Ihre Aufnahme in die AO verdankt die Regelung vor allem dem Umstand, dass den Zollbehörden neben der Abgabenerhebung auch die Überwachung der betreffenden Verbote im grenzüberschreitenden Warenverkehr obliegt. Indem die Norm Verbringungsverstöße explizit zu Steuerstraftaten qualifiziert (§ 372 Abs. 2 AO i.V.m. § 370 Abs. 1 und 2 AO, § 369 Abs. 1 Nr. 2 AO), unterfallen diese auch der Ermittlungskompetenz der Zollbehörden (vgl. auch § 1 Abs. 3 ZollVG; s. dazu Rz. 108). Zur Frage, ob die gesonderte Erwähnung in § 369 Abs. 1 Nr. 2 deklaratorische oder konstitutive (so die überw. Ansicht) Bedeutung hat, s. § 369 Rz. 30, 31 m.w.N.).
Rz. 4
Eine praktisch sehr bedeutsame eigenständige Kompetenzzuweisung für die Zollverwaltung enthält § 21 Abs. 1 BtMG für das Betäubungsmittelstrafrecht.
Rz. 5
Auch wenn die Überwachung verbotswidriger Verbringungen ein wichtiges Einsatzgebiet der Zollbehörden ist, ist die materiell-rechtliche Bedeutung des Bannbruchtatbestands gering. Der Grund dafür liegt in der Subsidiaritätsklausel (Abs. 2 der Vorschrift; s. Rz. 88 ff.).
Ihre bereits bisherige alleinige abgabenrechtliche Relevanz für den Schutz des Branntweinmonopols und damit unmittelbare Anwendbarkeit hat die Vorschrift seit dem 1.1.2004 mit der Aufhebung des Branntweinmonopols verloren (zum Außerkrafttreten des BranntwMonG zum 31.12.2017 und dem seit 1.1.2018 geltenden AlkStG s. § 381 Rz. 9). Seitdem sind alle Ein-, Aus- und Durchfuhrverbote spezialgesetzlich mit eigenen Straf- oder Bußgeldvorschriften bewehrt, so dass die Norm keine Auffangfunktion mehr hat.
Rz. 6
Eigenständige Bedeutung hat die Norm noch bzgl. europarechtlicher Verbringungsverbote (s. Rz. 23 ff.), soweit hierfür keine eigenständige nationale Strafbarkeitsvorschrift besteht. Da aber Zuwiderhandlungen gegen EU-Rechtsakte im Außenwirtschaftsbereich vorrangig gem. § 18 AWG unter Strafe gestellt sind, bleibt für die eigenständige Anwendung des Straftatbestands des § 372 Abs. 1 AO selbst im Zusammenhang mit Rechtsakten der EU kein Raum mehr.
Rz. 6.1
Umstritten ist, ob dazu bereits das Entziehen von Nichtunionsware aus der zollamtlichen Überwachung gem. Art. 134 Abs. 1, Abs. 2 UZK gehört. Ein solcher Ansatz scheitert an der berechtigten Kritik, dass dies einen Verstoß gegen ein abgabenrechtliches Verwaltungsverfahren unter Strafe stellen würde. Im Übrigen verstieße eine derartige Ausdehnung des Straftatbestands gegen das Analogieverbot.
Rz. 6.2
Gleichwohl bleibt die Tat, auch wenn sie nach anderen Verbotsgesetzen sanktioniert wird, Bannbruch mit der Folge, dass bei qualifizierter Tatbegehung (gewerbsmäßigem, gewaltsamen oder bandenmäßigem Handeln) die Anschlussnormen der §§ 373, 374 AO unter den dort genannten Voraussetzungen Anwendung finden (beim gewerbsmäßigen Schmuggel nur bei Bannbruch durch Zuwiderhandlung gegen Monopolvorschriften, s. § 373 Abs. 1 AO). Die Subsidiaritätsklausel des § 372 Abs. 2 AO gilt nämlich nur für den sog. einfachen Bannbruch (Abs. 1; s. Rz. 95). Zum Verhältnis § 372 AO zu § 373 AO s. § 373 Rz. 10.2, 13, 30 ff.
Rz. 7
Der Straftatbestand des Bannbruchs hat praktisch vor allem die verfahrensrechtliche Bedeutung, Verbringungsverstöße zu Steuerstraftaten zu qualifizieren und damit die Ermittlungszuständigkeit der Zollbehörden bei Verboten nichtsteuerlicher Art zu begründen (s. Rz. 108 ff.). Allerdings muss konzediert werden, dass sich diese anerkanntermaßen überwiegend prozessuale Funktion des § 372 AO "kaum strukturiert darstellen" lässt.
Rz. 8
§ 372 AO ist – ebenso wie § 370 AO – eine Blankettnorm (s. dazu § 370 Rz. 20 ff.), die der Ausfüllung durch andere Gesetze (scil. Verbotsgesetze) bedarf (s. Rz. 13 ff.). Dem Bestimmtheitsgebot kommt auch hier besondere Bedeutung zu (s. grundlegend § 370 Rz. 25 ff. sowie bzgl. unionsrechtlicher Ausfüllungsnormen Rz. 25, 29). Ebenso wenig wie bei den anderen Steuerstrafblanketttatbeständen darf deshalb die Tatbestandsmäßigkeit des Bannbruchs durch Verwaltungsanordnungen bestimmt werden. Erfasst werden jedoch Ordnungswidrigkeitentatbestände (vgl. § 372 Abs. 2 AO: "oder mit Geldbuße bedroht ist"), wobei allerdings streitig ist, ob die Tat in diesem Fall Grundtatbestand für eine Qualifikation gem. § 373 Abs. 2, § 374 AO sein kann (s. Rz. 95).
Rz. 9
Bis heute stellt sich die Frage nach Sinn und Bedeutung der Norm. Tormöhlen hält sie mit Blick auf den Bestimmtheitsgrundsatz möglich...