Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
Rz. 110
Die Strafbarkeit des Versuchs ist seit 2008 in § 373 Abs. 3 AO ausdrücklich geregelt (zur früheren Rechtslage s. Rz. 6).
Der Strafrahmen für den Täter eines versuchten schweren Schmuggels bestimmt sich nach § 23 Abs. 2 StGB i.V.m. § 373 Abs. 3 AO (s. dazu § 370 Rz. 691), denn durch § 373 Abs. 3 AO wird nicht der Strafrahmen des Versuchs, sondern nur seine Strafbarkeit überhaupt normiert.
Rz. 111
Zum Versuch allgemein s. zunächst die Ausführungen in § 370 Rz. 695 ff. Nach § 22 StGB liegt ein Versuch vor, wenn der Täter nach seiner Vorstellung von der Tat zur Tatbestandsverwirklichung unmittelbar ansetzt. Bei dem Qualifikationstatbestand des § 373 AO genügt hierzu nicht nur das bloße Ansetzen zum qualifizierenden Merkmal (z.B. Einstecken der Schusswaffe), sondern ein solches zur Verwirklichung des gesamten tatbestandlichen Unrechts. Das ist bei Einfuhrdelikten spezifisch zu würdigen.
Nähere Einzelheiten zur Abgrenzung Vorbereitung/Versuch/Vollendung bei Einfuhrdelikten sind bei § 370 Rz. 704, 707, 712, 718 f. und 1540.1 ff., 1548 f. dargestellt. Bedeutung hat dies vor allem für die Abgrenzung Straftat (§§ 373, 370 AO) oder Steuergefährdung von Einfuhr- und Ausfuhrabgaben (§ 382 AO), Schmuggel (§ 373 AO) oder Steuerhehlerei (§ 374 AO, s. § 374 Rz. 26 ff.) und die strafrechtliche Verjährung (s. § 376 Rz. 66 ff., 103 ff.).
Rz. 112
Der Zeitpunkt von Versuch, Vollendung und Beendigung richtet sich nach dem verwirklichten Grunddelikt.
Rz. 112.1
Beim Bannbruch als Grunddelikt beginnt der Versuch, wenn der Täter zum Grenzübertritt ansetzt.
Rz. 112.2
Der Schmuggel mit der Hinterziehung von Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben als Grundtatbestand wird zumeist in der den Unterlassenvarianten des § 370 Abs. 1 Nr. 2 oder Nr. 3 AO begangen. In diesen Fällen muss genau ermittelt werden, wer von den Beteiligten die Pflicht hatte, eine entsprechende Erklärung einzureichen, denn nur derjenige kommt als Täter i.S.d. § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO in Betracht. Das ist in der Regel der Steuerschuldner.
Rz. 112.3
Bei illegaler Einfuhr verbrauchsteuerpflichtiger Waren sind sämtliche Personen Steuerschuldner, die sich daran beteiligt haben (z.B. § 14 Abs. 4 BierStG). Mit der illegalen Einfuhr verbrauchsteuerpflichtiger Waren entsteht diese auch. Der Steuerschuldner hat sodann die Pflicht zur unverzüglichen Abgabe einer entsprechenden Steueranmeldung (§ 15 Abs. 2 BierStG). Wird dieser Pflicht nicht nachgekommen, stellt dies eine vollendete Hinterziehung von Verbrauchsteuer durch Unterlassen i.S.d. § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO dar.
Rz. 112.4
Werden Branntwein- bzw. Alkoholerzeugnisse nicht unter Steueraussetzung befördert (§ 17 AlkStG), sondern lediglich transportiert, sind die Transporteure keine Bezieher von Waren i.S.d. § 149 Abs. 1 Satz 1 BranntwMonG a.F. bzw. § 24 Abs. 1 Satz 1 AlkStG. Sie sind daher nicht Steuerschuldner und somit auch keine tauglichen Täter i.S.d. § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO.
Rz. 112.5
Sollen Güter in einem Kfz geschmuggelt werden, beginnt der Versuch in der Regel erst kurz vor Erreichen der Grenze oder der vor ihr eingerichteten Zoll- oder Kontrollstelle. Dagegen liegt der Versuchsbeginn bei einer Einfuhr mit dem Flugzeug regelmäßig schon im Zeitpunkt des Eincheckens des Reisegepäcks, sofern der Abflug in das Zollgebiet der Union demnächst erfolgen soll.
Rz. 112.6
Die Tat ist regelmäßig mit dem Überschreiten der Grenze vollendet. Die Tatbegehung ist aber erst dann beendet, wenn das geschmuggelte Gut in Sicherheit und zu seinem Bestimmungsort gebracht worden ist. Der Zeitpunkt der Beendigung ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen (s. Rz. 117).
Rz. 113
Bei Einfuhrdelikten, bei denen die beabsichtigte Steuerverkürzung durch Abgabe inhaltlich falscher Anmeldungen bei der zollamtlichen Abfertigung bewirkt werden soll, beginnt der Versuch erst mit der Vorlage der wahrheitswidrigen – weil unvollständigen – Zollanmeldung (s. dazu § 370 Rz. 1530).
Vollendung tritt in diesem Fall erst mit der buchmäßigen Erfassung der Zollschuldbetrages (vgl. Art. 101 ff. UZK) oder der Nichtfestsetzung aufgrund falscher Angaben in der Zollanmeldung ein. Der Vollendung steht nicht entgegen, wenn das Schmuggelgut danach, etwa bei einer Gesamtbeschau der angemeldeten Waren (vgl. Art. 140 Abs. 2 UZK), entdeckt und beschlagnahmt wird.
Zur Tatvollendung bei Entziehen von Waren aus der zollamtlichen Überwachung i.S.v. Art. 79 Abs. 1 Buchst. a UZK s. § 370 Rz. 1541.
Rz. 114
Bei Verbringen von Schmuggelware in den Freihafen liegt noch kein Versuchsbeginn vor, da die Waren beim Verbringen in eine Freizone oder ein Freilager abgesehen von Art. 139 Abs. 2 Satz 1 UZK weder zu gestellen sind noch eine Zollanmeldung abgegeben werden muss (Art. 139 Abs. 2 Satz 2 UZK). Deshalb kann im Freihafen ein Bandenschmuggel nur vorbereitet werden (s. auch Beispiel § 370 Rz. 704).
Rz. 115