Rz. 10

[Autor/Stand] Geschütztes Rechtsgut des allgemeinen Hehlereitatbestands (§ 259 Abs. 1 StGB) ist nach heute h.M. das Vermögen[2]. Der Unrechtsgehalt der Hehlerei wird nach überwiegender Ansicht in Rspr. und Schrifttum in der Aufrechterhaltung und Vertiefung der durch die Vortat geschaffenen rechtswidrigen Vermögenslage durch einverständliches Zusammenwirken mit dem Vortäter gesehen (sog. Aufrechterhaltungs- oder Perpetuierungstheorie[3]).

 

Rz. 11

[Autor/Stand] Trotz der weitgehenden Übereinstimmung im Begrifflichen – Sachhehlerei (§ 259 StGB) einerseits, Steuerhehlerei (§ 374 AO) andererseits – verbietet sich eine einschränkungslose Übernahme der zu § 259 StGB vertretenen Theorien zum Rechtsgut und Normzweck. Bei § 374 AO geht es nicht um die Aufrechterhaltung einer rechtswidrig erlangten Vermögensposition, weil davon auszugehen ist, dass bereits der Vortäter und erst recht der Täter in aller Regel die in § 374 AO genannten Gegenstände nach den Vorschriften des Bürgerlichen Rechts rechtmäßig besitzen. Für § 374 AO ist entscheidend, dass der Täter durch die in dieser Vorschrift umschriebenen Handlungen eine steuer- oder bannwidrig erlangte Rechtsposition aufrechterhält oder vertieft.

Da die in § 374 AO genannten Vortaten jedoch verschiedene Rechtsgüter schützen, spricht dies gegen eine einheitliche Rechtsgutbestimmung. Folgende Differenzierung bietet sich an:

 

Rz. 12

[Autor/Stand] In den Fällen, in denen sich die Vortat als Hinterziehung von Verbrauchsteuern und Einfuhr- und Ausfuhrabgaben darstellt, ist nach ganz überwiegender Ansicht der Unrechtsgehalt in der Aufrechterhaltung des steuerrechtswidrigen Zustands zu sehen, der durch die Vortat eingetreten ist[6]. Hier greift in gleicher Weise wie bei der Sachhehlerei der Perpetuierungsgedanke durch. Durch die Hehlereihandlungen wird die Durchsetzung der Steueransprüche gegen den Schmuggler und auch die verbrauchsteuerliche Sachhaftung der geschmuggelten Waren gem. § 76 AO erschwert oder vereitelt (Restitutionsvereitelung). Die Vorschrift dient damit in gleicher Weise dem Schutz des durch die vorangegangene Steuerhinterziehung betroffenen Steueranspruchs, also dem staatlichen Steueraufkommen.

Eine andere Ansicht hebt auf das kriminalpolitische Moment und die Bedeutung des § 374 AO ab, Beweisschwierigkeiten zu beseitigen, da oft nicht nachweisbar sei, dass der Importeur eine Steuerhinterziehung begangen hat[7].Darüber hinaus ist sicher auch der Aspekt der Nachfragebeschränkung von Belang[8], denn erst die Bereitschaft Dritter zum günstigen Erwerb der Schmuggelware stellt einen starken Anreiz für die Einfuhrdelikte dar.

 

Rz. 13

[Autor/Stand] Hat der Vortäter insbesondere einen Bannbruch (vgl. § 372 Abs. 2, § 373 AO) begangen, fallen im Hinblick auf den Unwert der Tat sämtliche der mit einer verbotswidrigen Einfuhr, Ausfuhr oder Durchfuhr typischerweise verbundenen Gefahren für die Gesundheit von Menschen, für die Erhaltung von Tieren und Pflanzen sowie für die Wahrung weiterer Rechtsgüter ins Gewicht[10].

Bei speziellen Verbringungsverbot ist jedoch § 372 AO subsidiär und scheidet als Vortat des § 374 AO aus (s. Rz. 24).

 

Rz. 14

[Autor/Stand] Ein Teil der Literatur spricht sich aber gegen eine Übertragung des Rechtsguts beim Bannbruch auf die Bannbruch-Hehlerei aus, da die Hehlereihandlungen nicht immer zu einer Aufrechterhaltung oder sogar Verstärkung der durch die Einfuhrverbote geschützten Gefahren führen würden[12].

Der Normzweck des § 374 AO liege vorrangig in der Vermeidung von Nachfrageanreizen. Die Steuerhehlerei sei ein abstraktes Gefährdungsdelikt gegen die durch §§ 370, 372 AO geschützten Rechtsgüter[13].

Auch diese Ansicht kann aber letztlich nicht überzeugend klären, warum § 374 AO nur solche Bannbruchtaten als Vortaten erfasst, die qualifiziert (mit Schusswaffen oder bandenmäßig) begangen wurden[14].

Angesichts dessen hält ein Teil der Literatur die Norm sogar für verfassungswidrig[15] und fordert die Streichung – entweder des gesamten Tatbestands[16] oder doch zumindest des Bannbruchs als Vortat (s. auch § 372 Rz. 8).[17]

Aber selbst bei einer modifizierten Änderung durch Verzicht auf die Qualifikation des § 373 Abs. 2 AO[18] lässt sich die Frage nach dem geschützten Rechtsgut des § 374 AO beim Bannbruch als Vortat nicht eindeutig klären.[19]

Fraglich ist auch, ob die abstrakte Gefährdung der vorbezeichneten Rechtsgüter zur Tatbestandsverwirklichung des § 374 AO ausreicht. Das zeigt sich insbesondere an der neueren Rspr. zum Erfordernis eines Absatzerfolgs (s. Rz. 64 ff.).

[Autor/Stand] Autor: Hilgers-Klautzsch, Stand: 01.05.2022
[2] Vgl. BT-Drucks. 7/550, 252.
[3] Vgl. BGH v. 20.12.1954 – GSSt 1/54, BGHSt 7, 134 (137); BGH v. 21.2.1957 – 4 StR 525/56, 4 StR 526/56, BGHSt 10, 151 (152); BGH v. 4.11.1976 – 4 StR 255/76, BGHSt 27, 45; BGH v. 10.10.1984 – 2 StR 470/84, BGHSt 33, 50 (52) = wistra 1985, 68; Walter in LK12, § 259 StGB Rz. 2 ff.; Hecker in Schönke/Schröder30, § 259 StGB Rz. 1; Lackner/Kühl29, § 259 StGB Rz. 1, jew. m.w.N.; differenzierend Geerds, GA ...

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