Rz. 17
Gemäß § 369 Abs. 2 Halbs. 1 AO gelten für Steuerstraftaten die allgemeinen Regeln des StGB und damit auch die §§ 78 ff. StGB zur Verfolgungsverjährung.
Diese tritt bei allen Delikten (zu Ausnahmen vgl. § 78 Abs. 2 StGB, Art. 315a Abs. 3 EGStGB) nach Ablauf bestimmter Fristen ein.
Die Dauer der Verjährungsfrist richtet sich nach der (abstrakten) Strafandrohung des Grundtatbestands. Maßgebend ist die Regelstrafdrohung, nicht die verwirkte Strafe. Strafschärfungen und Strafmilderungen, die für besonders schwere Fälle oder minder schwere Fälle bzw. nach dem Allgemeinen Teil des StGB vorgesehen sind, bleiben grds. unberücksichtigt (§ 78 Abs. 4 StGB).
Diese Regelung gilt auch für das Steuerstrafrecht, so dass sich bei einer Regelstrafe von bis zu fünf Jahren (§ 370 Abs. 1 AO) zunächst eine strafrechtliche Verjährungsfrist von fünf Jahren (§ 369 Abs. 2 AO, § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB) ergibt. Diese Regelfrist gilt aufgrund der Ausnahmeregelung des § 376 AO im Ergebnis aber nur für einfache und unbenannt schwere Fälle der Steuerhinterziehung.
Der Gesetzgeber hat mit § 376 Abs. 1 und Abs. 3 AO drei i.S.d. § 369 Abs. 2 Halbs. 2 AO abweichende Regeln für benannte Fälle besonders schwerer Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 3 Nr. 1–6 AO) geschaffen. § 376 Abs. 1 Halbs. 1 und Abs. 3 AO wirken sich auf die Länge der Verjährungsfrist aus, während § 376 Abs. 1 Halbs. 2 AO (dazu Rz. 174) eine besondere Ruhensvorschrift darstellt.
Rz. 18
Für die benannten Fälle der besonders schweren Steuerhinterziehung führen die Strafschärfungen – anders als im Kernstrafrecht – zu einer systemwidrig vom Grunddelikt abweichenden Verjährungsfrist von 15 Jahren. Die Regel des § 78 Abs. 4 StGB wird von § 376 Abs. 1 Halbs. 1 AO durchbrochen.
Die absolute Verjährungsfrist beliefe sich für diese benannten besonders schweren Fälle somit nach der allgemeinen Regel des § 78c Abs. 3 Satz 2 StGB auf 30 Jahre, wird aber mit einer weiteren Regelabweichung gem. § 376 Abs. 3 AO auf 37,5 Jahre ausgedehnt.
In beiden Verschärfungen der Verjährungsfrist liegt eine massive Schlechterstellung gegenüber ähnlichen Vermögensdelikten wie § 263 StGB (vgl. Rz. 19 ff.); besonders schwere Fälle des Betrugs (§ 263 Abs. 3 StGB) sind mit der gleichen Strafdrohung ausgestaltet, verjähren aber wie das Grunddelikt nach fünf (§ 78 Abs. 4 StGB) bzw. absolut nach zehn Jahren (§ 78c Abs. 3 Satz 2 StGB).
Rz. 18.1
Europarechtlich müssen auch die Verjährungsregeln eine effektive Durchsetzung der finanziellen Interessen der EU sicherstellen und dürfen Sonderverjährungsregeln nicht zu einer Benachteiligung der finanziellen Interessen der EU im Vergleich zu den Interessen der Mitgliedstaaten führen. Da die Sonderregelungen des § 376 Abs. 1 und 3 AO eine Verschärfung darstellen, die auch die Umsatzsteuer umfasst, bestehen insoweit keine Bedenken.