Rz. 160
Als Unterbrechungsakt kommt ferner die rechtswirksame vorläufige gerichtliche Einstellung des Verfahrens wegen Abwesenheit des Angeklagten (§ 205 StPO) oder jede – nicht nur zum Schein (s. Rz. 143) erfolgende – Anordnung des Richters oder Staatsanwalts, die nach einer solchen Verfahrenseinstellung
- zur Ermittlung des Aufenthalts des Beschuldigten im Verfahren gegen Abwesende oder
- zur Sicherung von Beweisen führt,
in Betracht (§ 78c Abs. 1 Nr. 10 StGB ). Auch die Anordnung erneuter Fahndungsmaßnahmen gegenüber einem im Ausland lebenden Angeklagten kann von Nr. 10 erfasst sein.
Beispiel 3
A hatte für die Jahre 01–03 Einkommen- und Gewerbesteuer verkürzt. Die Verjährung begann mit Bekanntgabe der Steuerbescheide im Dezember 04; sie wurde vor Ablauf der Verjährungsfrist durch Erhebung der ersten Anklage in 07 und erneut durch die vorläufige gerichtliche Einstellung wegen Abwesenheit des Angeklagten unterbrochen (§ 78c Abs. 1 Nr. 6 und 10 StGB); A hatte sich 07 durch Flucht in die Schweiz dem Verfahren entzogen, woraufhin er zur Festnahme ausgeschrieben wurde. In der Schweiz hielt er sich unter einer dem Gericht und der StA bekannten Anschrift auf. In der Folgezeit ordneten der Vorsitzende der Strafkammer oder die StA bis zum Beginn der Hauptverhandlung im Oktober 13 wiederholt "die Erneuerung der Fahndung" an.
Ob diese Anordnung der erneuten Fahndung verjährungsunterbrechend ist, ist zweifelhaft. Ein Angeschuldigter ist abwesend, wenn sein "Aufenthalt unbekannt" ist oder er sich "im Ausland (ohne Gestellungsmöglichkeit) aufhält" (§ 276 StPO), Letzteres war im Beispiel der Fall, so dass der Angeschuldigte "abwesend" war. Der BGH schließt aus der Abwesenheit und dem Zweck der Fahndungsmaßnahme, einen denkbaren (zeitweisen) inländischen Aufenthalt zum Zwecke der Festnahme zu ermitteln, auf die Anwendbarkeit der Nr. 10. Dies vermischt aber die Begrifflichkeiten. Das Vorliegen eines Verfahrens wegen Abwesenheit war zu bejahen, doch knüpft dieses Verfahren nicht an einen "unbekannten Aufenthalt", sondern an die Tatsache an, dass der Angeklagte sich bekanntermaßen "im Ausland aufhält" (vgl. § 276 StPO). Dann aber bedarf es keiner von § 78c Abs. 1 Nr. 10 StGB geforderten "Ermittlung des Aufenthalts". Etwas anderes wird zu gelten haben, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für einen – wenn auch nur gelegentlichen – "Aufenthalt" im Inland vorliegen, anlässlich dessen der Angeschuldigte festgenommen werden kann.