Rz. 116

[Autor/Stand] Eines der größten Ärgernisse des Rechtsinstituts des Fortsetzungszusammenhangs war bekanntlich der Beginn der Verjährung. Die Rspr. ging davon aus, dass die Tat erst mit dem letzten Teilakt beendet war, so dass erst dann der Lauf der Verjährung in Gang gesetzt wurde (§ 78a StGB). Fälle von Steuerhinterziehung, die bei Anwendung der "normalen" Verjährungsfrist von fünf bzw. zehn Jahren (§ 78 Abs. 3 Nr. 4, § 78c Abs. 3 Satz 2 StGB) längst verjährt gewesen wären, konnten durch den "Kunstgriff" des Fortsetzungszusammenhangs noch in die strafrechtliche Verfolgung und Ahndung einbezogen werden. Da der BGH durch Beschluss vom 20.6.1994[2] seine Rspr. zum Fortsetzungszusammenhang auch für den Bereich der Steuerhinterziehung aufgegeben hat, beginnt die Verjährung bei der Steuerhinterziehung mit der Beendigung der jeweiligen Einzeltat zu laufen.

 

Rz. 117

[Autor/Stand] Der Gesetzgeber hatte sich auch nach knapp 15 Jahren damit noch nicht abgefunden und entsprechend dem Willen der Großen Koalition die

"Verlängerung der Verfolgungsverjährung für Steuerhinterziehung in § 376 AO [vorgenommen], um der geänderten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) zum Fortsetzungszusammenhang Rechnung zu tragen."[4]

Mit dieser durch das JStG 2009 eingeführten und durch das JStG 2020 nochmals verschärften Abweichung von den allgemeinen Regeln erfolgte ein "Einstieg in ein Sonderstrafrecht."[5] Zutreffend hieß es schon in den Beratungen zum JStG 2009:

"Das deutsche Strafrecht löse vergleichbare Sachverhaltslagen beispielsweise im Bereich des Betrugs (§ 263 des StrafgesetzbuchsStGB) ohne Sonderregelungen. Einer besonderen steuerrechtlichen Regelung bedürfe es nicht und es sei verfehlt, im Steuerstrafrecht einen Sonderweg zu beschreiten."[6]

Die gesetzgeberische Mehrheit ließ sich davon nicht beirren, insoweit gilt wohl noch immer eine alte Erkenntnis von Blumers[7], der sich um das Steuerstrafrecht als ein Stiefkind des Strafrechts sorgte:

"Es ist das häufige Los von Stiefkindern, dass man sich ihrer mit zwar wenig Verständnis für die speziellen Probleme, aber mit pietistischer Strenge annimmt."

 

Rz. 118

[Autor/Stand] Einstweilen frei.

[Autor/Stand] Autor: Heerspink, Stand: 01.04.2021
[2] BGH v. 20.6.1994 – 5 StR 595/93, BGHSt 40, 195 = UR 1995, 278.
[Autor/Stand] Autor: Heerspink, Stand: 01.04.2021
[4] BT-Drucks. 16/11108, 7.
[5] BT-Drucks. 16/11108, 4.
[6] BT-Drucks. 16/11108, 7.
[7] Blumers, wistra 1987, 1.
[Autor/Stand] Autor: Heerspink, Stand: 01.04.2021

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