a) Sachliche Geltung (§ 2 OWiG)
Rz. 41
Das OWiG gilt für Ordnungswidrigkeiten nach Bundes- und nach Landesrecht.
b) Zeitliche Geltung (§ 4 OWiG)
Rz. 42
§ 4 OWiG regelt die zeitliche Geltung der Bußgeldvorschriften im Einzelnen. Gemäß Abs. 1 bestimmt sich die Geldbuße nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt. Danach gilt bei Gesetzesänderungen zwischen Begehung und Ahndung von Steuerordnungswidrigkeiten das Rückwirkungsverbot, das bereits aus dem verfassungsrechtlich garantierten Bestimmtheitsgrundsatz (Art. 103 Abs. 2 GG, § 3 OWiG) abzuleiten ist. Bestehenden oder neu geschaffenen Bußgeldtatbeständen darf daher keine rückwirkende Kraft beigelegt werden. Dies gilt nach h.M. nur für das materielle Recht. Für das Verfahrensrecht hat das Rückwirkungsverbot keine Geltung. Besonderheiten ergeben sich hier insbesondere bei einem Wechsel der Verfolgungsverjährung. Ändert sich die Bußgeldandrohung infolge einer Gesetzesänderung nach Beendigung der Handlung, so gilt das mildeste Gesetz (§ 4 Abs. 3 OWiG).
Rz. 43
Bußgeldvorschriften sind gegenüber einem Strafgesetz selbst dann das mildere Gesetz, wenn die Geldbuße einen höheren Betrag vorsieht als der ehemalige Straftatbestand, da mit der Geldbuße nach überwiegender Auffassung kein sittliches Unwerturteil ausgesprochen wird. Gegenüber anderen Bußgeldvorschriften ist das mildeste Gesetz dasjenige, das den geringeren Höchstbetrag androht.
Rz. 44
Bei Zeitgesetzen gilt das Rückwirkungsgebot nicht (§ 4 Abs. 4 Satz 2 OWiG, sog. Nachwirkung). Dies bedeutet, dass die Begehung einer Tat während der Geltung eines Zeitgesetzes für den Täter auch dann strafbar bleibt, wenn das Gesetz nach der Tat außer Kraft tritt. Zu der strittigen Frage, inwieweit Besteuerungsvorschriften als Ausfüllungsnormen von Blankettgesetzen grundsätzlich Zeitgesetzcharakter haben, s. § 370 Rz. 71 ff. Das Außerkrafttreten des Zeitgesetzes lässt die Ahndbarkeit der Zuwiderhandlung unberührt, jedoch sollte die FinB gem. § 47 OWiG prüfen, ob gleichwohl ein öffentliches Interesse an der Verfolgung besteht.
Rz. 45
Die zeitlichen Bestimmungen der Abs. 1–4 der Vorschrift gelten entsprechend für Nebenfolgen (s. dazu Rz. 109 ff.), d.h. die Anordnung setzt voraus, dass sie vor Begehung der Handlung gesetzlich zugelassen waren. Bei der Frage, welches Gesetz bei einem Wechsel als das mildeste anzusehen ist, ist nach zutreffender Ansicht eine "zweispurige Betrachtungsweise" geboten: Sowohl für die Hauptsanktion (Geldbuße oder nachträgliche Änderung der Höhe der Bußgelddrohung) als auch für die Nebenfolgen (z.B. Einziehung oder – notabene – Geldbuße gegen juristische Personen oder Personenvereinigungen nach § 30 OWiG) ist getrennt festzustellen, ob das alte oder das neue Recht milder ist (sog. Gesamtvergleich).
c) Räumliche Geltung (§ 5 OWiG)
Rz. 46
Gemäß § 5 OWiG gilt für das gesamte Ordnungswidrigkeitenrecht das sog. Territorialitätsprinzip (zur Geltung dieses Gebietsgrundsatzes im Steuerstrafrecht s. § 370 Rz. 79 ff.). Der räumliche Geltungsbereich des OWiG umfasst demzufolge das Landgebiet der Bundesrepublik Deutschland einschließlich des beherrschten Raums unter der Oberfläche sowie den Luftraum darüber und das Küstenmeer bis zu 12 Seemeilen.
Rz. 47
Ausländer können nach dem Gebietsgrundsatz wegen einer im Inland begangenen Ordnungswidrigkeit verfolgt werden. Auch außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs des OWiG begangene Ordnungswidrigkeiten können geahndet werden, wenn der Gesetzgeber dies bestimmt hat. Abweichungen sind z.B. in § 378 Abs. 1 Satz 2, § 379 Abs. 1 Satz 2 AO, jeweils i.V.m. § 370 Abs. 7 AO, vorgesehen. Danach können auch im Ausland begangene Steuerordnungswidrigkeiten verfolgt werden, wenn sie sich auf die Verkürzung der in diesen Vorschriften bezeichneten ausländischen Eingangsabgaben und Steuern – zum Teil nur, soweit Gegenseitigkeit verbürgt ist – beziehen. Darüber hinaus dehnt § 35 MOG die abgabenrechtlichen Bußgeldvorschriften auf im Ausland begangene Ordnungsverstöße bei Abgaben zu Marktordnungszwecken aus. Eine Ahndung der Ordnungswidrigkeit im Ausland steht grundsätzlich einer nochmaligen inländischen Verfolgung nicht entgegen; davon sollte aber aus Opportunitätsgründen regelmäßig abgesehen werden (§ 47 OWiG). Bei internationalen Sachverhalten ist die Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen, § 29a OWiG, nicht auf das im Inland Erlangte begrenzt. § 29a OWiG verstößt insoweit nicht gegen das Territorialitätsprinzip nach § 5 OWiG.
Rz. 48
Der Begehungsort bestimmt sich nach § 7 OWiG. Danach ist bei Zuwiderhandlungen sowohl der Tätigkeitsort als auch der Erfolgsort (z.B. bei der als Erfolgsdelikt ausgestalteten leichtfertigen Steuerverkürzung nach § 378 AO) maßgebend, wenn neben der Tathandlung tatbestandlich ein Erfolg vorausgesetzt ist. Eine Handlung ist an dem Ort begangen, an dem der Täter tätig geworden ist. Bei einem Unterlassen ist die Tat an dem Ort begange...