Ergänzender Hinweis: Nr. 104 AStBV (St) 2023 (s. AStBV Rz. 104).
Rz. 22
Die Fassung des § 377 Abs. 1 AO ("... geahndet werden können") macht deutlich, dass selbst dann, wenn eine tatbestandsmäßige, rechtswidrige und vorwerfbare Zuwiderhandlung vorliegt, die Verhängung eines Bußgeldes nicht zwingend geboten ist. Während bei strafbaren Handlungen nach dem Legalitätsprinzip (vgl. § 152 Abs. 2, § 160 Abs. 1 StPO, § 386 Abs. 2, § 399 Abs. 1 AO; s. dazu § 385 Rz. 62.) die Strafverfolgungsbehörden grundsätzlich gehalten sind, ein Strafverfahren einzuleiten, steht es bei Ordnungswidrigkeiten im pflichtgemäßen Ermessen der zuständigen Verfolgungsbehörde, ob sie ein Bußgeldverfahren einleitet oder nicht. Es gilt das sog. Opportunitätsprinzip, und zwar nicht nur hinsichtlich der Einleitung, sondern auch für die Durchführung des Verfahrens. Solange das Verfahren anhängig ist, kann es jederzeit eingestellt werden (§ 47 Abs. 1 OWiG, § 410 AO; s. dazu § 410 Rz. 29 ff.). Für die Ermessensentscheidung gelten die allgemeinen im Verwaltungsverfahren zu beachtenden Grundsätze. Hierzu gehören insbesondere die folgenden: Die Behörde hat unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls nach sachlichen Gesichtspunkten zu entscheiden und dabei vor allem den Gleichheitsgrundsatz, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und das Übermaßverbot, die Bedeutung der Tat, den Grad der Vorwerfbarkeit und das öffentliche Interesse an der Verfolgung, das z.B. von der Häufigkeit derartiger Verstöße und der Wiederholungsgefahr abhängen kann, zu beachten. Ermessensrichtlinien der FinB können, sofern sie auch für Ordnungswidrigkeiten Anwendung finden, berücksichtigt werden. Die Behörde darf z.B. nicht willkürlich handeln, insbesondere keine sachfremden Erwägungen anstellen. Sachfremd wäre etwa die Berücksichtigung der Stellung und des Ansehens des Betroffenen. Die Behörde muss bei ihrer Entscheidung den Gleichheitsgrundsatz und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten.
Rz. 23
Bei Bagatellfällen, insbesondere bei geringfügigen Verbrauchsteuer- und Zollordnungswidrigkeiten, kann eine bloße Verwarnung, ggf. mit Verwarnungsgeld (bis zu 55 EUR) genügen (§§ 56–58 OWiG, § 410 AO).
Rz. 24
Für das Steuerordnungswidrigkeitenverfahren ist ferner Nr. 104 Abs. 3 AStBV (St) 2023 (s. AStBV Rz. 104) bedeutsam, wonach gem. § 47 OWiG regelmäßig von einer Verfolgung der Steuerordnungswidrigkeit abgesehen werden kann, wenn der verkürzte oder gefährdete Betrag insgesamt weniger als 5.000 EUR beträgt, sofern nicht ein besonders vorwerfbares Verhalten für die Durchführung eines Bußgeldverfahrens spricht. Das Gleiche gilt, wenn in diesen Fällen der insgesamt gefährdete Betrag unter 10.000 EUR liegt und der gefährdete Zeitraum drei Monate nicht übersteigt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Ausführungen zu § 410 Rz. 29 ff. verwiesen.
Rz. 25– 26
Einstweilen frei.