Rz. 13
Handlungssubjekt, d.h. Täter des Sonderdelikts nach § 380 AO kann nur derjenige sein, dem durch Steuergesetze die Pflicht auferlegt wurde, die Steuerabzugsbeträge einzubehalten und abzuführen (s. Rz. 7). Dies ist derjenige, der selbst oder durch Dritte dem Steuerschuldner die steuerpflichtigen Vermögenswerte aufgrund eines privatrechtlichen Verhältnisses zuwendet, also bspw. beim Lohnsteuerabzug der Arbeitgeber (§ 38 Abs. 3 EStG, s. Rz. 26.1) oder beim sog. Zinsabschlag das Kreditinstitut (§ 44 Abs. 1 EStG, s. Rz. 27.1). Diese Personen sind hinsichtlich des Steuerabzugsverfahrens selbst als "Steuerpflichtige" (vgl. § 33 Abs. 1 AO) anzusehen (s. § 378 Rz. 11.1–15). Neben den unmittelbar aus der AO und den Einzelsteuergesetzen Verpflichteten kommen als Täter auch die Personen in Betracht, die vom Abzugspflichtigen in die Erfüllung der gesetzlichen Pflichten eingebunden werden und auf die sich der Tatbestand des § 380 AO gem. § 9 Abs. 2 OWiG i.V.m. § 377 Abs. 2 AO erstreckt (s. Rz. 18 f.).
Rz. 13.1
Bei (illegaler) Arbeitnehmerüberlassung ist der Verleiher weiterhin Arbeitgeber. Eine eigenständige Pflicht des Entleihers, Lohnsteuer anzumelden und einzubehalten, kommt nur in Betracht, soweit dieser selbst die Arbeitskräfte entlohnt. Der Entleiher haftet jedoch neben dem Arbeitgeber (vgl. § 42d Abs. 6 EStG; s. Rz. 26).
Rz. 14
Die Verpflichtung muss unmittelbar aus einem, den Blanketttatbestand (s. dazu bereits Rz. 7) des § 380 AO ausfüllenden Einzelsteuergesetz folgen (s. Rz. 24 ff.). Ein Verwaltungsakt reicht insoweit nicht aus. Eine Rechtspflicht i.S.d. § 380 AO wird z.B. nicht begründet, wenn das FA im Einzelfall nach § 50a Abs. 7 EStG bei beschränkt Stpfl. eine Abzugspflicht anordnet.
Rz. 15
Trifft die in § 380 AO bezeichnete Rechtspflicht eine im Sinne des Ordnungswidrigkeitenrechts nicht handlungsfähige juristische Person oder Personenvereinigung, so ist auf das Verhalten der für sie verantwortlich handelnden natürlichen Personen abzustellen. Zum Täterkreis des § 380 AO gehören also die gesetzlichen Vertreter i.S.d. § 34 AO, z.B. die Organe (Vorstand, Geschäftsführer) juristischer Personen oder Personenvereinigungen oder Vermögensverwalter.
Rz. 15.1
Sind bei einer juristischen Person mehrere Geschäftsführer bestellt, trifft unabhängig von der internen Geschäftsverteilung jeden von ihnen die Verantwortung für die Geschäftsführung im Ganzen und damit auch gem. § 34 Abs. 1 AO die Verantwortung für die steuerlichen Pflichten der juristischen Person. Diese kann durch die betriebliche Organisation bzw. Bestimmungen im Gesellschaftsvertrag zur Aufgabenverteilung zwar begrenzt, aber nicht aufgehoben werden. Zumindest Überwachungspflichten verbleiben stets auch bei nicht mit den steuerlichen Angelegenheiten befassten Geschäftsführern. Diese sind jedenfalls dann zum Handeln verpflichtet, wenn sie erkennen können, dass die steuerlichen Pflichten der juristischen Person nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns erfüllt werden (s. allgemein § 378 Rz. 70).
Beispiel 7
Der Inhaber eines Reisekonzerns (G1) unterhält u.a. eine Zweigstelle, die X-GmbH, deren allein vertretungsberechtigter Geschäftsführer er auch ist. Zu seiner Entlastung bestellt er einen weiteren Gesamtgeschäftsführer (G2), der in erster Linie für die steuerlichen Angelegenheiten zuständig ist. G1 überprüft in regelmäßigen Abständen die Geschäftstätigkeit der X-GmbH, ohne dabei Einblick in die Buchhaltungsunterlagen zu nehmen. So bemerkte er nicht, dass die X-GmbH mehrere Monate lang angemeldete Lohnsteuern für die Arbeitnehmer nicht rechtzeitig abführte.
G1 hat sich der leichtfertigen Nichtabführung von Lohnsteuerabzugsbeträgen nach § 380 Abs. 1 AO schuldig gemacht, soweit er im Vertrauen auf die früher erwiesene Zuverlässigkeit des Mitgeschäftsführers G2 den Betriebsablauf der Gesellschaft nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns (vgl. § 43 Abs. 1 GmbHG) kontrolliert hatte. Ansonsten hätte sich ihm bereits bei Überprüfung des Zahlungsverkehrs die Erkenntnis aufdrängen müssen, dass keine Lohnsteuerabzugsbeträge an das FA abgeführt wurden. Diese Verantwortung besteht unabhängig von der internen Geschäftsverteilung.
Rz. 16
Dem gesetzlichen Vertreter gleichgestellt sind Verfügungsberechtigte (§ 35 AO). Verfügungsberechtigter ist, wer kraft Gesetzes oder infolge eines zugrunde liegenden Auftragsverhältnisses im weiteren Sinne bevollmächtigt ist, über wirtschaftliche Mittel, die einem anderen gehören, zu verfügen. Dies sind z.B. der Prokurist, Betriebsleiter, Treuhänder/Strohmann, Sicherungsnehmer, Alleingesellschafter einer GmbH, faktische Geschäftsführer, Generalbevollmächtigte. § 35 AO setzt nicht das wirkliche Innehaben der Verfügungsbefugnis voraus, sondern stellt darauf ab, dass die bezeichneten Personen nach außen hin als Verfügungsberechtigte – sei es zu Recht oder zu Unrecht – auftreten. Damit ist § 380 AO auch...