Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
Rz. 1237
Mit dem Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren vom 29.7.2009, in Kraft seit dem 4.8.2009, wurden hierzu gesetzliche Regelungen geschaffen (s. insb. §§ 257b, 257c, 243 Abs. 4, § 302 Abs. 1 Satz 2, § 273 Abs. 1a StPO). Deren Ziel ist es, mittels klarer, der Rechtssicherheit und der gleichmäßigen Rechtsanwendung dienenden Vorgaben eine Verfahrensordnung zu schaffen, die es den Verfahrensbeteiligten ermöglicht, sich auf einen einvernehmlichen Abschluss des Strafverfahrens zu verständigen. Die Regelungen sollen vor allem auch der Transparenz und Offenheit des Verfahrens dienen. Absprachen außerhalb dieses gesetzlich geregelten Verfahrens, insb. heimliche Absprachen außerhalb der Hauptverhandlung, sind unzulässig, rechtswidrig und unwirksam. Zu den einzelnen Voraussetzungen s. näher Rz. 1241 ff.
Rz. 1238
Das BVerfG vom 19.3.2013 hat das seit 2009 geltende Normgefüge um die strafprozessuale Verständigung als (noch) verfassungsgemäß bestätigt, aber gleichzeitig die Einhaltung der gesetzmäßigen Verfahrensabläufe eingefordert. Es liege zwar ein defizitärer Vollzug, nicht aber ein strukturelles Regelungsdefizit vor. Die Wirksamkeit der vorgesehenen Schutzmechanismen habe der Gesetzgeber fortwährend zu überprüfen. Gegebenenfalls müsse nachgebessert und erforderlichenfalls die Entscheidung für die Zulässigkeit strafprozessualer Absprachen revidiert werden. Außerhalb des gesetzlichen Regelungskonzepts erfolgende sog. informelle Absprachen, die nicht protokollarisch erfasst würden, seien unzulässig.
Rz. 1239
Strafrechtliche Risiken für Richter wegen Falschbeurkundung im Amt (§ 348 StGB) bestehen bei fehlerhaften Negativattesten nach § 273 Abs. 1a Satz 3 StPO. Auch die Strafbarkeit des Richters wegen Rechtsbeugung bei Hinwirken auf einen unzulässigen Deal sowie die Strafbarkeit von StA und Verteidiger wegen Beihilfe hierzu ist denkbar.
Rz. 1240
Zentrale Vorschrift des Gesetzes zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren vom 29.7.2009, in Kraft seit dem 4.8.2009, ist § 257c StPO.
§ 257c StPO Verständigung zwischen Gericht und Verfahrensbeteiligten
(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt.
(2) Gegenstand dieser Verständigung dürfen nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. Bestandteil jeder Verständigung soll ein Geständnis sein. Der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung dürfen nicht Gegenstand einer Verständigung sein.
(3) Das Gericht gibt bekannt, welchen Inhalt die Verständigung haben könnte. Es kann dabei unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. Die Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Verständigung kommt zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichtes zustimmen.
(4) Die Bindung des Gerichtes an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Gleiches gilt, wenn das weitere Prozessverhalten des Angeklagten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichtes zugrunde gelegt worden ist. Das Geständnis des Angeklagten darf in diesen Fällen nicht verwertet werden. Das Gericht hat eine Abweichung unverzüglich mitzuteilen.
(5) Der Angeklagte ist über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichtes von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach Absatz 4 zu belehren.