Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
Rz. 204
Im Anschluss daran ist der Beschuldigte darüber zu belehren,
- dass es ihm nach dem Gesetz freistehe, ob er zur Sache aussagen wolle oder nicht;
- dass er auch schon vorher einen von ihm gewählten Verteidiger befragen kann, wobei ihm Informationen zur Verfügung zu stellen sind, die ihm die Kontaktaufnahme zu einem Verteidiger erleichtern;
- und zu seiner Entlastung einzelne Beweiserhebungen beantragen und er unter den Voraussetzungen des § 140 StPO die Bestellung eines Pflichtverteidigers nach Maßgabe der § 141 Abs. 1, § 142 Abs. 1 StPO beantragen kann
- und er sich schriftlich äußern könne (§ 136 Abs. 1 Satz 2–5 StPO).
Rz. 205
Eine unter Verstoß gegen die Belehrungspflicht nach § 136 Abs. 1 Satz 2, § 163a Abs. 4 Satz 2 StPO, § 10 BpO über die Aussagefreiheit erfolgte Aussage ist unverwertbar (s. Rz. 1090 f. und § 393 Rz. 158 ff. m.w.N.).
Rz. 206
Das Gleiche gilt für eine unterlassene Belehrung über das Recht des Beschuldigten, einen Rechtsanwalt zu konsultieren (s. Rz. 1092 f., 1130).
Rz. 207
Eine informatorische Befragung – ohne besondere Belehrung – ist nur solange zulässig, als die Auskunftsperson noch nicht Beschuldigter ist. Hierüber entscheidet die Stärke des Tatverdachts (s. Rz. 124). Auch wenn die Ermittlungsbehörden insoweit einen Beurteilungsspielraum haben, dürfen sie diesen nicht mit dem Ziel missbrauchen, den Zeitpunkt der Belehrung der zu vernehmenden Person möglichst weit hinauszuschieben (s. § 393 Rz. 131 ff., 158 ff.).
Nach (wenn auch nur interner) Einleitung des Steuerstrafverfahrens i.S.d. § 397 AO ist eine formlose Befragung daher ausgeschlossen (s. dazu die Erl. zu § 397 AO).
Rz. 208
Keine Vernehmung soll die Befragung einreisender Personen im Rahmen der Zollkontrolle sein. Etwas anderes muss jedenfalls gelten, wenn die Zollbeamten bereits durch Meldung ausländischer Kollegen gewisse Hinweise für einen Schmuggel erhalten haben.
Rz. 209
Spontanäußerungen, die der Beschuldigte noch vor Beginn der Vernehmung ungefragt und von sich aus abgegeben hat, sollen verwertbar sein.
Auch hier gilt jedoch anderes, wenn die Angaben spontan als Reaktion auf eine staatliche Strafverfolgungsmaßnahme gemacht werden (z.B. Einlassungen anlässlich einer Durchsuchung; s. auch Rz. 1090, 1092).
Die Verletzung der Aussagefreiheit kann aber auch außerhalb von Vernehmungen nach §§ 136, 136a StPO zu einem Beweisverwertungsverbot führen.
Rz. 210
Stetiges Nachfragen ohne zureichenden Grund kann jedoch das Schweigerecht des unverteidigten Beschuldigten entwerten. Es darf nicht dadurch missachtet werden, dass beständig auf verschiedenen Wegen versucht wird, den Beschuldigten doch noch zu Angaben in der Sache zu bringen. Erst recht bedenklich sind beharrliche Nachfragen gegenüber einem Beschuldigten, der sich zur Frage einer Aussage zunächst mit einem von ihm benannten Verteidiger besprechen und bis dahin schweigen will, wenn die Benachrichtigung dieses Verteidigers unterbleibt.
Rz. 211
Die von den Ermittlungsbehörden bei der Vernehmung des Beschuldigten zu beachtenden Regelungen der § 163a Abs. 1–4, § 136 StPO werden im Steuerstrafverfahren ergänzt durch die Vorschrift des § 397 Abs. 3 AO, der zufolge dem Beschuldigten die Einleitung des Strafverfahrens spätestens dann mitzuteilen ist, wenn der Beschuldigte zu Auskünften oder zur Herausgabe von Unterlagen aufgefordert wird, die im Zusammenhang mit der ihm vorgeworfenen Straftat stehen. Des Weiteren ist er darüber zu belehren, dass seine Mitwirkungspflichten im Besteuerungsverfahren nicht mehr erzwungen werden dürfen (§ 393 Abs. 1 Satz 4 AO). Zu den Folgen von Verstößen gegen diese Bekanntgabe- und Belehrungspflichten s. Rz. 1072, 1090 m.w.N., § 393 Rz. 155 ff. § 10 BpO regelt in diesem Zusammenhang das Procedere, wenn sich der Verdacht während einer Außenprüfung ergibt (s. § 393 Rz. 135 ff.; § 397 Rz. 27).