Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
a) Verfahrensgang und Beteiligte
Rz. 1241
Die Vereinbarung muss zwischen dem Gericht und den Verfahrensbeteiligten getroffen werden (§ 257c Abs. 1 Satz 1 StPO). Neben der StA sind der Angeklagte und sein Verteidiger zu beteiligen.
Rz. 1241.1
Die Initiative geht nach der Gesetzeskonzeption vom Gericht aus (§ 257c Abs. 3 Satz 1 StPO), aber auch die anderen Beteiligten können eine Anregung dazu abgeben. Das Gericht (einschließlich der Schöffen) muss die mit 2/3-Mehrheit beschließen (vgl. § 263 Abs. 1 StPO). Die Verfahrensbeteiligten haben ein Recht auf Anhörung (insb. StA und Verteidigung, vgl. § 257c Abs. 3 Satz 3 StPO).
Rz. 1241.2
Zum Zustandekommen durch Zustimmung von StA und Angeklagtem (§ 257c Abs. 3 Satz 4 StPO) s. Rz. 1267 f. Eine Verständigung zwischen Angeklagtem und Gericht unter Ausschluss der StA ist unzulässig (s. Rz. 1267). Die Zustimmung des Angeklagten kann ggf. gegen den Willen seines Verteidigers erfolgen.
Rz. 1242
Offen ist, ob auch die BuStra hinzugezogen werden muss. Dafür spricht, dass der FinB im Gerichtsverfahren ein Anhörungsrecht zusteht (§ 407 AO; so auch Nr. 94 Abs. 4 AStBV (St) 2020; s. AStBV Rz. 94). Da die FinB jedoch nur ein Fragerecht, aber kein Antragsrecht hat, ist ihre Zustimmung nach dem Gesetzeswortlaut nicht erforderlich (str.). Letztlich entscheidungsbefugt bleibt aber die StA, die FinB kann allenfalls Anregungen geben (s. § 407 Rz. 4 ff., 18.1).
Rz. 1243
Wegen der komplizierten Gesetzeslage ist bei einer Verständigung die Bestellung eines Pflichtverteidigers geboten (vgl. § 140 Abs. 2 Satz 1 StPO).
b) Gegenstand der Verständigung
Rz. 1244
Eine Verständigung ist sowohl über das Ergebnis als auch über den Fortgang des Verfahrens möglich (§ 257c Abs. 1 Satz 1 StPO). Gemäß § 257c Abs. 2 Satz 1 StPO können Gegenstand einer Verständigung nur Rechtsfolgen sein, die auch Inhalt eines Urteils sein können, also insb. die Strafe. Die Aufklärungspflicht des Gerichts gem. § 244 Abs. 1 Satz 2 StPO bzgl. des für den Rechtsfolgenausspruch maßgeblichen Sachverhalts bleibt unberührt (§ 257c Abs. 1 Satz 2 StPO).
Rz. 1245
Unzulässig ist eine Absprache über den Schuldspruch oder die Maßregelanordnung (§ 21 StGB). Auch über den anwendbaren Strafrahmen darf keine Verständigung erfolgen; d.h. weder über eine Strafrahmenverschiebung (z.B. nach § 23 Abs. 2, § 27 Abs. 2 Satz 2, § 28 Abs. 1, § 49 Abs. 1 StGB) oder über gesetzlich normierte Regelbeispiele (z.B. § 370 Abs. 3 AO).
Rz. 1245.1
Streitig ist, ob dies auch für (unbenannte) minder schwere oder besonders schwere Fälle gilt.
Der BGH hält – entgegen der Ansicht des BVerfG – eine Verständigung insoweit für möglich. Insbesondere bei den unbenannten minder schweren Fällen, deren Annahme oder Ablehnung nicht an gesetzlich umschriebene Ausformungen der Tatbegehung oder Tätermotivation anknüpfen, sondern allein eine tatrichterliche Gesamtwürdigung aller strafzumessungsrelevanten Gesichtspunkte voraussetzen, fehle es an jedem argumentativen Anknüpfungspunkt dafür, diese Gesamtwürdigung der Frage des Schuldspruchs gleichzustellen und damit über § 257c Abs. 2 Satz 1 und 3 StPO dem Bereich zulässiger Verständigungsgespräche zu entziehen.
Rz. 1246
Aus einer Geld- und einer Freiheitsstrafe kann nicht – im Wege der nachträglichen Gesamtstrafenbildung nach § 55 StGB – eine Gesamtgeldstrafe gebildet werden, weil dies gegen § 53 Abs. 2 und § 54 Abs. 1 Satz 2 StGB verstößt.
Rz. 1247
Hauptanwendungsbereich der Absprachen bleibt demnach die Festlegung einer Ober- und Untergrenze für die festzusetzende Strafe (§ 257c Abs. 3 Satz 2 StPO). Damit – so der BGH – ist aber nicht die Mitteilung der sog. Sanktionsschere (d.h. die Angabe einer Untergrenze bei einem Geständnis und die Obergrenze bei fehlendem Geständnis) gemeint, sondern allein der für den Fall einer erfolgreichen Verständigung – deren Bestandteil in aller Regel ein Geständnis ist (vgl. § 257c Abs. 2 Satz 2 StPO) – konkret in Betracht kommende Strafrahmen. Eine Pflicht zur Mitteilung einer Strafobergrenze bestehe damit nicht. Die Zusage einer bestimmten Strafe (sog. Punktstrafe) ist dagegen unzulässig.
Anderer Ansicht nach soll das Gericht nur die Alternative haben, entweder gar keine Strafmaßvorstellungen zu äußern oder kumulativ eine Ober- und Untergrenze der möglichen Strafe zu nennen. Die "Sanktionsschere" dürfe aber nicht zu weit geöffnet werden. Fehle ein Geständnis, dürfe die Strafe höchstens 1/3 über der im Rahmen der Verständigung ins Auge gefassten Strafe liegen.
Auch nach der Rspr. darf der Angeklagte nicht durch Drohung mit der "Sanktionsschere" unter Druck gesetzt werden.
Während eine Ansicht i.d.R. einen Strafrabatt von 20–30 % für angemessen hält, entscheidet die Rspr. je nach Einzelfall.
Rz. 1248
Ansonsten muss das Gericht aber die materiellen und prozessualen gesetzlichen Vorgaben einh...