Ergänzender Hinweis:

Nr. 56 ff. AStBV (St) 2020; s. AStBV Rz. 56.

Schrifttum:

Burhoff, Sofortmaßnahmen des Verteidigers, PStR 2004, 67; Dann, Durchsuchung und Beschlagnahme in der Anwaltskanzlei, NJW 2015, 2609; Gercke, Durchsuchung in Anwaltskanzleien, PStR 2008, 292; Göggerle, Durchsuchungen und Beschlagnahmen bei den Angehörigen der rechts- und steuerberatenden Berufe, BB 1986, 41; Momsen/Grützner, Gesetzliche Regelung unternehmensinterner Untersuchungen – Gewinn an Rechtsstaatlichkeit oder unnötige Komplikation?, CCZ 2017, 242 ff.; Park, Durchsuchung und Beschlagnahme, 4. Aufl. 2018; Prowatke/Beyer, Die Durchsuchung durch die Steuerfahndung, BBK 2009, 749; Rebehn, Neuregelung zum Beweiserhebungsverbot bei Rechtsanwälten, ZAP 2011, 105; Reiß, Der strafprozessuale Schutz verfassungsrechtlich geschützter Kommunikation vor verdeckten Ermittlungsmaßnahmen, StV 2008, 539; Rüping, Steuerberatung, Steuerhinterziehung und Durchsuchung, DStR 2006, 1249; Siegrist, Ermittlungen in Steuer- und Wirtschaftsstrafsachen – Quo Vadis?, wistra 2010, 427; Weisser, Durchsuchungsarreste, präventive Ingewahrsamnahmen und Kontaktsperren zur Ermöglichung von Anschlussdurchsuchungen, wistra 2015, 212 ff.

a) Verteidiger

 

Rz. 306

[Autor/Stand] Durchsuchungen dürfen überall dort vorgenommen werden, wo mit dem Auffinden beweisrelevanter und beschlagnahmefähiger Beweismittel zu rechnen ist. Insoweit ist auch eine Kanzlei, sowohl die des in der Vergangenheit tätigen Steuerberaters wie auch die des Verteidigers, kein durchsuchungsfreier Raum. Allerdings nimmt § 97 StPO sämtliche Unterlagen, Mitteilungen und Aufzeichnungen, die beim Verteidiger lagern und denen eine Verteidigungsbestimmung zukommt, von der Beschlagnahme aus. Geschützt sind – aus § 148 StPO folgend – zudem beim Mandanten befindliche Mitteilungen zwischen Verteidiger und ihm sowie Aufzeichnungen des Mandanten, die dieser zum Zwecke seiner Verteidigung gefertigt hat (sog. Verteidigungsunterlagen). Dies gilt auch für Verteidigungsunterlagen die versehentlich nicht mehr im Gewahrsam des Verteidigers oder des Beschuldigten sind.[2] Laut BVerfG vom 6.11.2014[3] gewährt zudem § 160a Abs. 1 Satz 1 StPO Schutz gegen Beschlagnahmungen beim Verteidiger soweit ein Zeugnisverweigerungsrecht besteht (verfassungsrechtlicher Kernbereichsschutz);[4] dies aber gem. BVerfG vom 27.6.2018[5] nicht umfassend (s. hierzu Rz. 307). Auch eine entgegen der Schweigepflicht (§ 203 StGB) durch den Verteidiger/Rechtsanwalt erfolgende freiwillige Herausgabe von Unterlagen, auf die sich das Zeugnisverweigerungsrecht bezieht, hebelt den Schutz des § 160a Abs. 1 StPO (absolutes Beweiserhebungs- und -verwertungsverbot) nicht aus.[6] Angesichts dieses weiten Beschlagnahme- und Beweisverwertungsverbots wird eine Durchsuchung beim Verteidiger regelmäßig ausscheiden, da eine gezielte Suche nach beweisrelevanten, aber beschlagnahmefreien Verteidigungsunterlagen rechtswidrig wäre.[7]

 

Rz. 307

[Autor/Stand] Dies gilt nach zutreffender Ansicht[9] unabhängig davon, ob und wann die Ermittlungsbehörden formal ein Ermittlungsverfahren einleiten; zumindest wenn der Anwalt vorausschauend mit Blick auf eine beschuldigtenähnlichen Stellung[10] des Mandanten beauftragt wurde, ist der Schutz zu gewähren,[11] andernfalls hätten es die Ermittlungsbehörden durch willkürlich späte Einleitungsverfügungen in der Hand, über den Beschlagnahmeschutz zu befinden. Geschützt sind auch gemischt relevante Unterlagen, also solche, die sowohl für die Verteidigung wie auch in einem anderen Rechtsstreit relevant werden können, denn eine sinnvolle Trennung zwischen den Verfahren ist kaum möglich, zudem müssen die Wechselwirkungen der Verfahren und der dort gemachten Angaben gegeneinander abgewogen werden.[12] Obgleich die Abgabe einer Selbstanzeige von der h.M. nicht als Verteidigung angesehen wird (Rz. 173), unterliegen vor diesem Hintergrund auch Unterlagen, die der Vorbereitung einer Selbstanzeige dienen, dem Beschlagnahmeschutz. Wie ohnehin für sämtliche beim Verteidiger aufbewahrte Unterlagen im Regelfall ein

"Verteidigerbezug [...] bereits deshalb indiziert [ist], weil die Schriftstücke beim Verteidiger [lagern] und einen Bezug zum Strafverfahren"[13]

aufweisen. Insbesondere kann eine grundsätzlich

"beschlagnahmefähige Unterlage [...] durch Anmerkungen des strafrechtlich Verfolgten zur Verteidigung [...] beschlagnahmefrei werden [...] Denn von diesen Anmerkungen ist das Dokument nicht zu trennen".[14]

Da diese Ausführungen aber dem Wortlaut nach nur für den "Verteidiger" gelten, sollte dieser – aus Gründen der Vorsicht – sich bereits bei Mandatsannahme auch mit der Vorbereitung und späteren Durchführung der Verteidigung beauftragen lassen. Gleiches gilt bei Mandatierung einer unternehmensinternen Ermittlung (Internal Investigation, s. Rz. 501). Auch hier werden i.d.R. gemischt relevante Ermittlungsergebnisse produziert, z.B. Tatsachen die eine zivilrechtliche Haftung des Vorstands wegen Verstoßes gegen seine Aufsichtspflicht/§ 130 OWiG belegen, was ...

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