Rz. 781
Neben dem internen Team für einen Mandanten kann es auch notwendig sein, ein externes Team zu bilden. So, wenn mehrere Personen beschuldigt werden.
Rz. 782
Sind mehrere Personen beschuldigt, stellt sich die Frage, wie deren Verteidigung sichergestellt werden kann. Für den Verteidiger besteht das Verbot der Mehrfachverteidigung (§ 146 StPO, s. Rz. 171 ff.), er darf in einem Strafverfahren nicht mehrere Beschuldigte gleichzeitig verteidigen. So sollen Interessenkonflikte ausgeschlossen werden, selbst wenn diese im Einzelfall nicht bestehen mögen. Die Beachtung des Mehrfachverteidigungsverbots beugt damit auch der Gefahr eines Parteiverrats (§ 356 StGB) vor. Dieses Verbot erstreckt sich auch auf die Kombinationen mehrerer Geschäftsführer derselben Gesellschaft und insbesondere auch auf die Verteidigung von Eheleuten. Das Verbot gilt unabhängig davon, ob die Verfahren unter dem gleichen oder verschiedenen Aktenzeichen geführt werden. Ein Verstoß gegen das Verbot führt zur Zurückweisung des Verteidigers (§ 146a StPO, s. Rz. 183).
Rz. 783
Das Verbot ist allerdings ein strafprozessuales und erfasst somit nicht das Steuerverfahren und also nicht die Selbstanzeige als solche. Diese kann für mehrere Personen gleichzeitig abgegeben werden. Bei Selbstanzeigen wird das Verbot erst mit Einleitung des Strafverfahrens relevant. Sofern bis dahin steuerlich mehrere Personen vertreten wurden, ist zweifelhaft, ob mit Blick auf §§ 203, 356 StGB eine (§ 146 StPO) Person aus diesem Kreis verteidigt werden kann. Diese Problematik sollte durch Einzelmandatierung im steuerlichen Selbstanzeigeverfahren umgangen werden, die anderen Personen können sich der Selbstanzeige anschließen.
Rz. 784
In einfach gelagerten Fällen, in denen kein Interessenkonflikt besteht, kann erwogen werden, dass sich der Verteidiger nur für eine Person bestellt und diese verteidigt. Die Wirkungen für den Mitbeschuldigten kommen diesem dann kostenfrei zugute. Ein solches Vorgehen setzt aber das Fehlen jeglichen Interessenkonfliktes auch zwischen den Beschuldigten voraus und wird nur dann infrage kommen, wenn zwischen beiden ein großes Vertrauens- und Näheverhältnis besteht. Doch selbst in solchen Fällen empfiehlt es sich, je Beschuldigten einen Verteidiger zu bestellen, der auch aus der gleichen Kanzlei stammen kann; § 146 StPO erfasst den Anwalt, nicht die Sozietät.
Rz. 785
Bei gleichen Interessen mehrerer Beschuldigter empfiehlt es sich, eine Sockelverteidigung zu organisieren. Das heißt zunächst, dass jeder Beschuldigte seinen Individualverteidiger erhält. Diese kooperieren aber miteinander und tauschen sich hinsichtlich des Sachverhalts – zur Aktenüberlassung s. Rz. 440 – und der anzuwendenden Abwehrstrategie aus.
"Sockelverteidigung ist der Inbegriff für strategische und taktische Gemeinsamkeiten in der Verteidigung mehrerer Beschuldigter – auf Dauer angelegt oder auch nur temporär, flächendeckend oder partiell oder auch nur punktuell."
Rz. 786
Sie dient der Verteidigung als Mittel, die strafrechtlichen Vorwürfe
"optimal, höchstmöglich [und] effizient [abzuwehren]. Die Gemeinsamkeit mehrerer Beschuldigter [...] schafft Chancen und Gefahren. Die Chancen liegen in einer Maximierung der gemeinsamen Abwehrkräfte. Die Gefahren liegen in der Widersprüchlichkeit eines Verhaltens, das dann zugleich Überführungsqualität haben kann. [... Die Mitbeschuldigten machen] sich [...] zum Beweismittel gegen den anderen Mitbeschuldigten. Und dann wird die Überführungsarbeit [...] zum ‚Eigengeschäft‘, nämlich dadurch, daß die Mitbeschuldigten ihre Verteidigung so führen, daß sie jeweils Überführungsqualität für den anderen Beschuldigten hat [...]; Sockelverteidigung hat [...] die Aufgabe, solche Konflikte zu definieren und sie, solange sie lösbar sind, auch zu lösen."
Rz. 787
Solange sie lösbar sind, bedeutet aber eben auch, dass die Interessen nur so lange gemeinsam verfolgt werden, wie sie gemeinsame Interessen sind. Der Anwalt muss stets die Interessen seines Mandanten im Blick haben und sich notfalls aus dem Sockel verabschieden; die Interessen des Mandanten sind stets vorrangig. Aber genau dieser effektiven Vertretung des Individualinteresses des Mandanten dient der Sockel.
Rz. 788
Ein Sockel ist bei der Verteidigung im Steuerstrafverfahren stets schnell und leicht identifiziert: Die Steuerschuld. Es besteht fast in allen Fällen das gleichgerichtete Interesse, dass diese Steuerschuld entweder nicht entstanden oder nicht in dieser Höhe entstanden ist. Problematisch wird es, wenn die Steuerschuld bei einem anderen – möglicherweise Mitbeschuldigten – entstanden sein soll. Auch für die Frage, wer die Erklärung abgegeben oder die Abgabe unterlassen hat, wird man nicht immer Konsens finden. Interessen und Interessengegensätze müssen im Einzelfall eruiert werden.
Rz. 789– 790
Einstweilen frei.