Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
Rz. 20
Der auf frischer Tat betroffene Täter muss entkommen sein und auf seiner Flucht Sachen zurückgelassen haben, die sodann beschlagnahmt oder sonst sichergestellt worden sind, weil sie eingezogen werden können.
Rz. 21
Der Begriff der Sicherstellung ist ein Oberbegriff. Er erfasst die amtliche Inverwahrnahme (§ 94 Abs. 1 StPO), und die Beschlagnahme (§ 94 Abs. 2 StPO). Mit Sicherstellung in § 394 AO ist aber nicht die Sicherstellung nach § 94 Abs. 1 StPO gemeint. Der Begriff der Sicherstellung in § 394 AO ist ein anderer. Das Verfahren zur vorläufigen Sicherstellung richtet sich ausschließlich nach den §§ 111b ff. StPO. Daher meint der Begriff der Sicherstellung in § 394 AO entweder die Beschlagnahme nach § 111b StPO oder den Vermögensarrest (§ 111e StPO ). Da nur die Beschlagnahme ein relatives Veräußerungsverbot nach § 111d Abs. 1 StPO, § 136 BGB herbeiführt, kann nur durch sie der Zweck der Sicherstellung im Rahmen des § 394 AO erreicht werden. Im Insolvenzverfahren hat das Veräußerungsverbot keine Wirkung (§ 80 Abs. 2 InsO). Eine Beschlagnahme nach Eröffnung der Insolvenz ist obsolet. Bei gemeingefährlichen Sachen (s. Rz. 27) bewirkt sie sogar ein absolutes Veräußerungsverbot i.S.d. § 134 BGB. Zur Vermögensabschöpfung nach neuem Recht s. § 385 Rz. 451 ff., zum Vermögensarrest s. § 385 Rz. 460 ff., zur Einziehung nach abgabenrechtlichen Vorschriften s. § 375 Rz. 32 ff. und § 401 Rz. 11 ff.
Rz. 22
Zur Anordnung der Beschlagnahme ist nach § 111j Abs. 1 StPO nicht nur der Richter befugt. Da in allen Fällen Gefahr im Verzug vorliegen und es sich durchweg um bewegliche Sachen handeln wird, ist eine Beschlagnahme durch die StA und ihre Ermittlungspersonen, damit auch durch die FinB (§ 386 Abs. 2, § 399 Abs. 1 AO) und die Beamten der Steuer- und Zollfahndung (§ 404 Satz 2 Halbs. 2 AO) sowie die Angehörigen der FinB (§ 399 Abs. 2 Satz 2 AO) zulässig. In diesen Fällen ist die Einholung einer richterlichen Bestätigung nicht notwendig (§ 111j Abs. 2 Satz 2 StPO). Der Betroffene kann jedoch die richterliche Entscheidung beantragen (§ 111j Abs. 2 Satz 3 StPO).
Rz. 23
Der Wortlaut des § 394 AO deutet zudem darauf hin, dass die Einziehung bereits zum Zeitpunkt der Beschlagnahme der bestimmende Grund für die Anwendung der Maßnahmen gewesen sein müsse. Dies ist jedoch nicht zwingend. Es genügt vielmehr, dass die zurückgelassenen Sachen zunächst in Verwahrung genommen wurden, weil die tätig gewordene Amtsperson sie als reines Beweismittel und nicht als Einziehungsgegenstand ansah. Dies ergibt sich bereits aus der Entwicklungsgeschichte der Vorschrift. In der Urfassung der RAO 1919 (§ 399 AO = § 434 RAO) war lediglich die Beschlagnahme von Sachen vorgesehen, die der Einziehung unterliegen. Daher ist davon auszugehen, dass auch die heute geltende Fassung nur zum Ausdruck bringen soll, dass die Sachen später einmal Gegenstand der Einziehung sein können. Dass der Anwendungsbereich der Vorschrift durch die Neufassung ("..., weil sie eingezogen werden können ...") demgegenüber hätte eingeschränkt werden sollen, ist den Gesetzgebungsmaterialien nicht zu entnehmen. Für eine solche Einschränkung wäre im Übrigen auch kein sachlicher Grund erkennbar. Der Beschlagnahmegrund ist daher unbeachtlich.
Im Übrigen räumt selbst die Gegenansicht ein, dass sich der Zweck der Sicherstellung nachträglich ändern könne. In diesen Fällen müsste dann nach der Sicherstellung der Gegenstände als Beweismittel zur Herbeiführung des Verfügungsverbots eine weitere nachträgliche Sicherstellung als Einziehungsgegenstand erfolgen. Das wäre ein umständliches und mit dem Gesetzeszweck des § 394 AO schwerlich zu vereinbarendes Ergebnis.