Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
Rz. 5
Eine gerichtliche Entscheidung wie im subjektiven oder objektiven Verfahren ist bei § 394 AO entbehrlich. Für den Eigentumsübergang auf den Staat genügen vielmehr der Hinweis der FinB auf den drohenden Verlust des Eigentums durch öffentliche Bekanntmachung und der gesetzlich vorgesehene Zeitablauf.
Darin sieht ein Teil der Literatur einen tragenden Grund für die Verfassungswidrigkeit bzw. Nichtigkeit der Regelung. Auch wegen eines etwaigen Eigentumsverlusts eines gutgläubigen Eigentümers des Gegenstands werden im Hinblick auf Art. 14 Abs. 1 GG verfassungsrechtliche Bedenken angemeldet.
Rz. 6
Zutreffend ist zwar, dass Kriminalstrafen nur durch den Richter verhängt werden dürfen.
Die Einziehung nach dem neuen Recht der Vermögensabschöpfung ist aber nach der Rspr. des BVerfG keine dem Schuldgrundsatz unterliegende Nebenstrafe, sondern eine Maßnahme (§ 11 Abs. 1 Nr. 8 StGB) eigener Art mit kondiktionsähnlichem Charakter (s. § 370 Rz. 1554.8 m.w.N.). Auch mit § 394 AO ist kein persönliches Unwerturteil verbunden, da die Person, gegen die ein kriminalstrafrechtlicher Vorwurf theoretisch erhoben werde müsste, gerade nicht bekannt ist. Der Eigentumsübergang nach § 394 AO hat daher gerade keinen Strafcharakter.
Rz. 7
Auch ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist nicht anzunehmen. Denn ebenso wie bei § 76a StGB kommt § 394 AO nur zur Anwendung, wenn de facto das Auffinden des Täters bzw. Teilnehmers an der Tat nicht möglich ist. Man mag einwenden, dass damit sowohl dem Täter als auch dem Eigentümer rechtliches Gehör versagt werde. Jedoch bleibt die Möglichkeit des Nachverfahrens und der Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen bestehen (s. näher Rz. 38, 42). Im Übrigen beginnt die Zweijahresfrist für die Geltendmachung von Einwendungen gegen die Einziehung nach § 433 Abs. 2 Satz 2 StPO im Rahmen des § 394 AO mit dem Zeitpunkt des Eigentumsübergangs, d.h. mit Ablauf der Jahresfrist des § 394 Satz 3 AO. Damit besteht die Möglichkeit zur Durchführung des Nachverfahrens insgesamt drei Jahre. Demgegenüber beginnt die Zweijahresfrist beim selbständigen Einziehungsverfahren nach § 76a StGB u.U. früher, nämlich bereits dann, wenn die richterliche Anordnung früher als ein Jahr nach Sicherstellung des Gegenstands erfolgt. Eine Beschneidung von Rechtsbehelfsmöglichkeiten im Verfahren nach § 394 AO ist daher gerade gegenüber dem selbständigen Einziehungsverfahren nach § 76a StGB nicht erkennbar.
Rz. 8
Im Übrigen wird eine Überprüfung der Verfassungswidrigkeit in der Praxis schon daran scheitern, dass niemand die Nichtigkeit rügen wird, denn § 394 AO setzt gerade voraus, dass der Täter und Eigentümer unbekannt sind. Eine Entscheidung des BVerfG ist von daher nicht absehbar. Die Aufhebung der Vorschrift kann also nur durch den Gesetzgeber erfolgen.