a) Kontrollmitteilungen
Rz. 25
Beispiel
Im Rahmen einer Außenprüfung bei der Fa. S KG werden die steuerlichen Verhältnisse des Gesellschafters G festgestellt und eine entsprechende Kontrollmitteilung an dessen Veranlagungs-FA übersandt.
Des Weiteren wurde für ein von der S KG an G verkauftes Betriebsgrundstück ein erheblich unter dem vom Prüfer veranschlagten Verkehrswert liegender Preis verbucht.
Als das FA bei der Bearbeitung der Einkommensteuererklärung des G Widersprüche entdeckt, wird diese Kontrollmitteilung zur Aufklärung des Sachverhalts herangezogen. G wird vom FA um Aufklärung gebeten.
Zudem fällt auf, dass 2014 eine erhebliche Zahlung an den Geschäftspartner P mit dem Vermerk "Beratungshonorar" veranlasst und als Betriebsausgabe verbucht wurde (Kontrollmitteilung an FA des P).
Das Ausschreiben einer Kontrollmitteilung (vgl. § 194 Abs. 3 AO, s. allg. Rz. 12.1) stellt keine Einleitung des Steuerstrafverfahrens dar. Zu diesem Zeitpunkt besteht allenfalls eine Vermutung des Prüfers, da bekanntlich Beraterhonorare wie Provisionen u.Ä. nicht immer ordnungsgemäß versteuert werden. Für die weitere Aufklärung und Beurteilung des Sachverhalts ist ein Abgleich des Kontrollmaterials mit der Steuerakte des Zahlungsempfängers erforderlich.
Rz. 25.1
Ergibt sich bei der Auswertung einer Kontrollmitteilung, z.B. durch Abgleich mit den Steuerakten, der Verdacht einer strafbaren Zuwiderhandlung gegen Steuergesetze und geht der mit der Bearbeitung dieser Angelegenheit beauftragte Amtsträger diesem Verdacht im Rahmen seiner Überprüfung nach, ist damit das Strafverfahren eingeleitet.
Bevor jedoch nicht die subjektiven Umstände für die Widersprüche oder nicht erklärten Einkünfte in der Steuererklärung (vor allem bzgl. der im Beispielsfall Rz. 25 denkbaren vGA im Zusammenhang mit dem Grundstücksverkauf) geklärt sind oder zumindest konkrete Anhaltspunkte für eine bewusste Missachtung der Steuerpflicht ersichtlich sind, steht noch nicht fest, ob (überhaupt) ein strafbares Verhalten anzunehmen ist. Dann holt das FA lediglich eine Auskunft im Besteuerungsverfahren ein.
Ergänzender Hinweis: Nr. 131 Abs. 2 AStBV (St) 2020 (s. AStBV Rz. 131)
Rz. 26
Beispiel
Für Betriebsprüfer B ist bis zum Abschluss der Betriebsprüfung zweifelhaft geblieben, ob S eines Steuervergehens verdächtig ist. Daher weist er S in der Schlussbesprechung auf die einem besonderen Verfahren vorbehaltene strafrechtliche Würdigung der getroffenen Feststellungen hin.
Der Außenprüfer soll gem. § 201 Abs. 2 AO den Stpfl. im Rahmen der Schlussbesprechung darauf hinweisen, dass die straf- oder bußgeldrechtliche Würdigung der Prüfungsfeststellungen einem besonderen Verfahren vorbehalten bleibt, wenn die Möglichkeit eines Straf- oder Bußgeldverfahrens besteht. Es müssen demnach noch Zweifel bestehen, ob ein solches Verfahren durchgeführt werden muss. Dieser Hinweis wird gemeinhin nicht als Einleitung des Strafverfahrens angesehen, da es an einem konkreten Tatverdacht fehlt.
Rz. 26.1
Die Regelung des § 201 Abs. 2 AO stößt zu Recht auf Kritik. Zunächst erscheint sie überflüssig, da bei der vom Betriebsprüfer bejahten Möglichkeit eines Straf- oder Bußgeldverfahrens bereits die laufende Prüfung unterbrochen und die BuStra unterrichtet werden muss (§ 10 Abs. 1 Satz 2 BpO 2000). Soweit die strafrechtlich relevanten Erkenntnisse erst nach dem letzten Kontakt mit dem Stpfl. erlangt wurden und nur noch die Schlussbesprechung abgehalten werden müsste, ist die zwingende Verfahrenseinleitung aufgrund eines Anfangsverdachts bzw. die Unterbrechung der noch laufenden Prüfung und die Unterrichtung der BuStra vorrangig. Der Anwendungsbereich des § 201 Abs. 2 AO sollte daher auf die Fälle beschränkt werden, in denen entweder entsprechende Erkenntnisse in der Schlussbesprechung gewonnen wurden oder aufgrund der Schlussbesprechung noch Zweifel bestehen, ob die Voraussetzungen für ein Strafverfahren vorliegen.
Die Vorschrift ist auch in rechtsstaatlicher Hinsicht bedenklich. Es fehlt bereits eine rechtssichere und justiziable Beschreibung, wann die Umstände einen über die bloße Möglichkeit hinausgehenden Tatverdacht begründen. Suggeriert der Hinweis des Prüfers, weitere Fragen zielten noch nicht auf eine strafrechtliche Aufklärung ab, so ist doch jedenfalls die Vorstufe eines Anfangsverdachts erreicht. Wird nach der Unterrichtung der BuStra diese nunmehr tätig, um die strafrechtliche Relevanz der Prüfungsfeststellungen zu prüfen, handelt es sich der Sache nach um strafrechtliche Vorermittlungen zum Zwecke der Verdachtsprüfung (s. Rz. 7). Diese stellen zwar keine Verfahrenseinleitung i.S.d. § 397 Abs. 1 AO dar. Gleichwohl ist die Gefahr einer verspäteten Belehrung des betroffenen Stpfl. über sein strafprozessuales Schweigerecht und das Risiko verdeckter Ermittlungen verbunden (s. Rz. 42 ff. sowie § 393 Rz. 16 f.).
Zur Wahrung der Rechte des Betroffenen, der später zum Beschuldigten ...