Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
Rz. 169
Im Normalfall wird demjenigen, der gegen einen Strafbefehl Einspruch einlegt, daran gelegen sein, dass der Strafbefehl im Ganzen aufgehoben und der ihm zugrunde liegende Sachverhalt erneut durch einen Richter strafrechtlich gewürdigt wird. Andererseits sind die Fälle gar nicht selten, in denen es dem Angeklagten nur darum geht, eine Herabsetzung der ausgesprochenen Strafe oder Maßregel zu erreichen. Denkbar ist auch, dass der Angeklagte einen Strafbefehl, in dem mehrere Delikte geahndet wurden, nur insoweit angreifen will, als er ein Delikt betrifft.
Der Einspruch kann auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt werden (§ 410 Abs. 2 StPO). Die Wirksamkeit der Einspruchsbeschränkung hängt von den gleichen Voraussetzungen ab, die für die Zulässigkeit der Beschränkung von Rechtsmitteln gelten. Sie kann noch bis zur Verkündung des Urteils im ersten Rechtszug, damit noch in der Hauptverhandlung, erklärt werden.
Rz. 170
Die Beschränkung kann sich auf selbständige Taten – sei es im prozessualen Sinn (§ 264 StPO), sei es im materiell-rechtlichen Sinn der Tatmehrheit (§ 53 StGB) – beziehen.
Rz. 171
Im Fall eines Strafbefehls, der sich sowohl auf eine Straftat als auch auf eine (tatmehrheitlich begangene) Ordnungswidrigkeit bezieht, kann der Einspruch ebenfalls auf eine der beiden Taten beschränkt werden.
Rz. 172
Am häufigsten richtet sich der begrenzte Einspruch gegen das Strafmaß (Höhe der Freiheitsstrafe oder Geldstrafe). Insbesondere bei einer Beschränkung auf die Höhe des Tagessatzes sollte bereits mit dem Einspruch das Einverständnis mit einer Entscheidung im Beschlussweg (§ 411 Abs. 1 Satz 3 StPO) erklärt werden (s. Rz. 197).
Der Beschluss kann mit der sofortigen Beschwerde angefochten werden.
Rz. 173
Das Beschlussverfahren nach § 411 Abs. 1 Satz 3 StPO ist – entgegen seinem Wortlaut – nicht auf die Entscheidung über die Höhe der Tagessätze beschränkt; der Einspruch kann auch auf die Gewährung einer Zahlungserleichterung (§ 42 StGB) beschränkt werden.
Rz. 174
Bei einer Beschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch ist aber sorgfältig zu prüfen, ob insoweit eine gesonderte, d.h. von dem nicht angefochtenen Teil des Strafbefehls losgelöste Entscheidung über eine neue Festsetzung der Rechtsfolge möglich ist. Beruht der Rechtsfolgenausspruch etwa auf einer unzureichenden Schuldfeststellung oder lassen sich die Rechtsfolgen in der Hauptverhandlung nicht ohne weitere das Schuldmaß betreffende Einzelheiten, die infolge des summarischen Charakters des Strafbefehls nicht näher ermittelt worden sind bzw. nicht Gegenstand der Tatbezeichnung im Strafbefehl sind, festsetzen, ist eine Beschränkung in diesen Fällen unwirksam.
Rz. 175
Eine Beschränkung auf eine von mehreren Rechtsfolgen (bei der Verhängung von Haupt- und Nebenstrafen oder Strafe und Maßregel) ist wegen der Wechselwirkung der mehreren Rechtsfolgen regelmäßig ausgeschlossen. Denn zumeist wird im Ausgleich zu Wegfall oder Minderung einer Rechtsfolge häufig eine Verschärfung der anderen Rechtsfolge in Erwägung zu ziehen sein.
Rz. 176
Eine Beschränkung auf den Kostenausspruch ist nicht möglich, sondern gem. § 410 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 300 StPO in eine sofortige Beschwerde nach § 464 Abs. 3 StPO umzudeuten, wobei dann allerdings die verkürzte Frist von einer Woche (§ 311 Abs. 2 StPO) zur Einlegung des Rechtsmittels zu beachten ist.
Rz. 177
Richtet sich der Strafbefehl gegen mehrere Angeklagte, so lässt der nur von einem Angeklagten eingelegte Einspruch den Strafbefehl gegen die übrigen Angeklagten unberührt. Dies gilt auch für die Fälle, in denen das Gericht nach der Hauptverhandlung zu dem Ergebnis gelangt, dass ein strafbares Verhalten aller Angeklagten nicht vorlag oder der Strafausspruch gegen alle Angeklagten zu hoch ausgefallen ist. Eine "Einspruchserstreckung" zugunsten aller Angeklagten ähnlich wie die Revisionserstreckung gem. § 357 StPO ist im Strafbefehlsverfahren nicht möglich.
Rz. 178
Eine nach den vorstehenden Gesichtspunkten unzulässige Beschränkung führt nur zur Unwirksamkeit der Beschränkung mit der Folge, dass der Einspruch dann als unbeschränkt eingelegt zu behandeln ist.
Rz. 179
Der Verteidiger, der die Zustimmung zum Verfahren nach § 411 Abs. 1 Satz 3 StPO erteilt bzw. daran mitwirkt (s. Rz. 172 f., 197), verdient die zusätzliche Verfahrensgebühr Nr. 4141 VV RVG. Das ist durch das 2. KostRMoG mit der Einfügung der Nr. 4141 Anm. 1 Satz 1 Nr. 4 RVG geklärt.