Rz. 60

[Autor/Stand] Siehe § 377 Rz. 117 ff. Einer der in § 30 Abs. 1 Nr. 1–5 OWiG enumerativ genannten Repräsentanten einer JP/PV hat eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit begangen (sog. Anknüpfungstat), durch die Pflichten der JP/PV verletzt wurden oder die JP/PV bereichert worden ist oder werden sollte. Im hier interessierenden Zusammenhang kommen insbesondere eine Steuerhinterziehung (§ 370 AO) bzw. eine Beihilfe hierzu (§ 27 StGB) oder eine leichtfertige Steuerverkürzung (§ 378 AO) oder Ordnungswidrigkeiten nach dem UStG (z.B. § 26a UStG, s. dazu § 377 Rz. 281 ff.) sowie Sozialabgabenverkürzung (§ 266a StGB), Untreue (§ 266 StGB) und Korruptionsdelikte (§§ 299, 331 ff. StGB) in Betracht. Das Antragsrecht der FinB besteht jedoch nur bei reinen Steuerdelikten, ansonsten ist die StA zuständig (s. Rz. 7, 56).

 

Rz. 61

[Autor/Stand] Die Verletzung der Aufsichtspflicht durch den Betriebsinhaber bzw. sonstige Führungspersonen (§ 130 OWiG) gehört ebenso zu den Pflichten i.S.d. § 30 Abs. 1 OWiG (s. § 377 Rz. 119, 171 ff. und § 378 Rz. 166) und kann daher Vortat einer selbständigen Verbandsgeldbuße sein.[3] In der Praxis ist ein derartiger Sorgfaltsverstoß sogar die häufigste Anknüpfungstat i.S.d. § 30 OWiG.[4] Der Organisationsmangel muss aber dem Unternehmen nachgewiesen werden.[5]

 

Rz. 62

[Autor/Stand] Auch das Unterlassen unternehmensinterner Ermittlungen bei konkreten Anhaltspunkten für Verstöße gegen die Aufsichtspflicht kann ggf. als Ordnungswidrigkeit der Unternehmensleitung zu einer Geldbuße führen (§§ 30, 130 OWiG).[7] Angesichts dieser Haftungsrisiken sind Risikoanalyse und Implementierung eines Compliance-Systems in Unternehmen (z.B. durch Vier-Augen-Prinzip, Job-Rotation, Handlungsanweisungen, whistle-blowing) zwecks Prävention und Exkulpation dringend angeraten[8] (s. dazu eingehend § 377 Rz. 405 ff.).

 

Rz. 63

[Autor/Stand] Es muss sich um eine unternehmensbezogene Zuwiderhandlung handeln, die mit dem Funktionskreis des Täters im Unternehmen in einem inneren Zusammenhang steht.[10] Das dürfte bei der Verletzung steuerlicher Pflichten regelmäßig der Fall sein.

[Autor/Stand] Autor: Hilgers-Klautzsch, Stand: 01.05.2024
[Autor/Stand] Autor: Hilgers-Klautzsch, Stand: 01.05.2024
[3] Zu den notwendigen Feststellungen vgl. OLG Hamburg v. 15.4.1998 – II-35/98-3 Ss 7/98, NStZ-RR 1998, 370 = wistra 1998, 278; eing. zu § 130 OWiG Heerspink, AO-StB 2012, 27.
[4] Rogall in KK5, § 30 OWiG Rz. 75.
[5] Zur Feststellungslast des Gerichts vgl. Eidam, wistra 2003, 447 (455).
[Autor/Stand] Autor: Hilgers-Klautzsch, Stand: 01.05.2024
[7] Vgl. dazu Wastl, NWB 2010, 2221; Heerspink, AO-StB 2008, 86; zur Rechtstellung des Unternehmensanwalts in diesem Zusammenhang vgl. die Thesen der Bundesrechtsanwaltskammer, BRAK 2011, 16.
[8] Vgl. nur Passarge, DStR 2010, 1675; Nave/Zeller, BB 2012, 131.
[Autor/Stand] Autor: Hilgers-Klautzsch, Stand: 01.05.2024
[10] Tormöhlen in HHSp., § 401 AO Rz. 47.

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