Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
Rz. 5
Nach § 161 StPO kann die StA Ermittlungen jeder Art (z.B. Durchsuchungen und Beschlagnahmen, Vernehmungen, allerdings keine eidlichen) entweder selbst vornehmen oder durch die Behörden und Beamten des Polizeidienstes vornehmen lassen (vgl. Nr. 3 RiStBV i.V.m. Anl. A). Nach neuer Rechtslage besteht für Zeugen eine Erscheinenspflicht und Aussagepflicht, wenn der Ladung ein Auftrag der StA zugrunde liegt (§ 163 Abs. 3 StPO). Die Behörden und Beamten des Polizeidienstes sind verpflichtet, dem Ersuchen oder Auftrag der StA zu genügen.
Danach nimmt die FinB die Stellung eines bloßen Hilfsorgans der StA wahr. Ebenso wie die Polizeibeamten werden die Bediensteten der FinB hierbei entweder als "Ermittlungspersonen" der StA (§ 152 Abs. 2 GVG) oder wie "gewöhnliche" Polizeibeamte tätig. Zu dieser Unterscheidung und den sich hieraus ergebenden Konsequenzen s. die Erl. zu § 385 Rz. 67 ff.
Die StA kann der FinB in dieser Eigenschaft einzelne Aufträge erteilen oder sie dazu veranlassen, die Ermittlungen durchzuführen. Dabei kann sie frei wählen, ob sie die BuStra oder bei Zuständigkeitskonzentration gem. § 387 Abs. 2 AO (s. Rz. 11) unmittelbar das Veranlagungs-FA (z.B. mit der Berechnung der verkürzten Steuern) beauftragt. Die StA kann sich auch unmittelbar an einen konkreten Beamten der FinB wenden. Den Hilfsorganen stehen bei der Erfüllung der Ermittlungsaufträge der StA kein Ermessen oder Prüfungskompetenzen zu (vgl. auch Nr. 91 Abs. 5 AStBV (St) 2023/2024; s. AStBV Rz. 91).
Rz. 6
Die Mitwirkungspflicht der FinB ist aber zeitlich und inhaltlich begrenzt.
Die Weisungsbefugnis der StA gegenüber der FinB gilt nur im Ermittlungsverfahren, d.h. sie endet mit der Anhängigkeit des Verfahrens beim Strafgericht, also mit der Anklageerhebung. Soweit das Gericht weitere Ermittlungen für notwendig hält (§§ 202, 223 StPO) und diese durch die StA durchgeführt werden, ist die FinB nicht zur Mitwirkung verpflichtet.
Rz. 7
§ 386 Abs. 2 AO setzt der Ermittlungs- und Mitwirkungsbefugnis der FinB zudem inhaltlich Grenzen. Soweit es sich um Strafverfahren handelt, die neben Steuerstraftaten auch allgemeine Straftaten zum Gegenstand haben, wirkt die FinB lediglich bei der Aufklärung der Steuerstraftat mit. Sie kann im Rahmen dessen auch Umstände aufklären, die sowohl für die Steuerstraftat als auch für die allgemeine Tat von Bedeutung sind (s. § 386 Rz. 93). Nach hier vertretener Auffassung kann die StA die FinB jedoch nicht mit Ermittlungshandlungen bzgl. tateinheitlich oder tatmehrheitlich damit zusammenhängender Nicht-Steuerdelikte beauftragen (zu den Folgen der Kompetenzüberschreitungen vgl. auch § 386 Rz. 181 ff.).
Dagegen befürworten der BGH und die überwiegende Literatur (so auch hier Peters, s. § 386 Rz. 96 ff.) eine Ermittlungskompetenz der FinB bei tateinheitlichem Zusammentreffen mit der Folge der wirksamen Verjährungsunterbrechung auch bzgl. der allgemeinen Straftaten. Dies soll auch bei prozessualer Tatidentität gem. § 264 StPO zwischen Steuerdelikt und Allgemeindelikt (z.B. Urkundenfälschung) gelten (s. § 386 Rz. 95). Die Einzelheiten sind mit Beispielen bei § 386 Rz. 89 ff., 95 ff. dargestellt.
Noch weitergehend nimmt ein Teil der Gegenansicht (auch Peters, s. § 386 Rz. 101) sogar eine Verfolgungspflicht für eine prozessual selbständige Nichtsteuerstraftat an, soweit das Steuergeheimnis (§ 30 Abs. 4 Nr. 4 Buchst. a AO) dies zulasse (gleicher Ansicht Peters, s. § 386 Rz. 101). Entdecke der Beamte z.B. bei einer Durchsuchung, die der Aufklärung einer Steuerstraftat dient, Beweismittel für eine Nichtsteuerstraftat, so müsse er diese Zufallsfunde gem. § 108 StPO beschlagnahmen.
Dabei wird aber der umfassende Geheimnisschutz gem. § 30 Abs. 2 AO verkannt, der eine Offenbarung gelegentlich eines Strafverfahrens bekannt gewordener Erkenntnisse nur unter den erschwerten Umständen des § 30 Abs. 4 Nr. 5 Buchst. a, b AO zulässt (s. auch § 386 Rz. 97, 163 ff.).