Rz. 371
Die Steuerfahndung spart sich bei Angaben des Beschuldigten "Arbeit", so dass ein Interesse an Angaben des Beschuldigten (nachdrücklich) besteht. In dieser Situation ist sehr häufig zu beobachten, dass Beschuldigte geneigt sind, von dem fundamentalen Recht, sich nicht selbst belasten zu müssen und speziell ihrem Recht auf Aussageverweigerung (grundlegend zum sog. Nemo-tenetur-Prinzip s. § 393 Rz. 16 ff.) keinen Gebrauch machen. Diese Einstellung wird getragen von der Erwartungshaltung, dass sich "Kooperation" mit den Ermittlungsbehörden auszahlt. Diese laienhafte Erwartung beim Einlassungsverhalten des Beschuldigten wird jedoch oftmals enttäuscht und ist gefährlich. Eine Mitwirkung in einem (zu) frühen Stadium des Ermittlungsverfahrens kann nachteilig sein. Zum einen wird damit regelmäßig nicht der Ermittlungseifer der Fahndungsbeamten getrübt. Zum anderen liegt zu diesem Zeitpunkt noch kein vollständiger Überblick über sämtliche Aspekte des Sachverhalts vor und besteht somit die Gefahr, dass der Beschuldigte Äußerungen macht, die sich später im Hinblick auf das vorliegende Beweismaterial als unhaltbar erweisen. Dabei ist immer zu bedenken, dass "Schweigen das am schwersten zu widerlegende Argument" ist. Es gehört zu den Todsünden einer Verteidigung, sich zur Unzeit zu äußern. Nachvollziehbarerweise ist aber letztlich jeder Einzelfall zu betrachten, da durchaus auch Kommunikation mit den Ermittlungsbehörden sinnvoll sein kann.
Rz. 372
Zu beachten ist bereits, dass eine Pflicht, der Ladung der Fahndung Folge zu leisten, nicht besteht (s. bereits Rz. 290). Sofern aber die Ladung durch die StA/StraBu erfolgt, muss der Beschuldigte erscheinen (§ 163a Abs. 3 Satz 1 StPO). Auszusagen braucht er jedoch auch hier nicht. Eine Pflicht zum Erscheinen besteht auch, wenn die Ladung durch das Gericht erfolgt. An seinem Recht zum Schweigen ändert sich nichts.
Rz. 373
Eine verspätete oder unterlassene Belehrung des Beschuldigten über das bestehende Aussageverweigerungsrecht (vgl. § 136 Abs. 1 Satz 2, § 163a Abs. 4 Satz 2 StPO; § 393 Abs. 1, § 397 Abs. 3 AO und § 10 BpO 2000) führt nach der st. Rspr. des BGH und einhelliger Auffassung in der Literatur zu einem Verwertungsverbot hinsichtlich der gewonnenen Erkenntnisse (vgl. eingehend § 385 Rz. 204 ff., 1090 ff. und § 393 Rz. 158 ff.). Dies kann selbst bei einer Verletzung der Aussagefreiheit des Beschuldigten außerhalb einer Vernehmung gelten.
Rz. 374
Die Entscheidung über eine Aussage gegenüber den Ermittlungsbeamten zu dem Tatvorwurf sollte grds. nicht ohne Verteidigerkonsultation (zum Anwesenheitsrecht des Verteidigers bei Vernehmungen des Beschuldigten s. Rz. 383) und auch nicht vor Einsichtnahme des Verteidigers in die Ermittlungsakte erfolgen. Nur so lässt sich über die mündliche Schilderung der Ermittlungsbeamten und eine ggf. vorliegende Begründung eines Durchsuchungsbeschlusses oder Haftbefehls ersehen, was den Betroffenen tatsächlich zur Last gelegt wird und wie der Tatvorwurf umrissen wird.
Rz. 375
Im Hinblick auf die Gefahren, die einer mündlichen Vernehmung anhaften, erscheint es ratsam, eine schriftliche Äußerung anzubieten, wie sie das Gesetz (vgl. § 136 Abs. 1 Satz 6, § 163a Abs. 4 Satz 2 StPO) in geeigneten Fällen sogar ausdrücklich vorsieht.