Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
Rz. 79
Wie bereits erwähnt, haben Zustellungsmängel (s. Rz. 77) oder die Nichteinhaltung gewisser Formalien (s. Rz. 75) keinen Einfluss auf die Wirksamkeit des Bußgeldbescheids. Verstöße gegen die Vorschriften, die den Inhalt des Bußgeldbescheids betreffen, haben nur dann verfahrensrechtliche Folgen, wenn es sich um gravierende Mängel handelt, die die Umgrenzungsfunktion betreffen und den Bußgeldbescheid als Verfahrensgrundlage einer gerichtlichen Hauptverhandlung ungeeignet machen. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn die verfolgte Tat aus dem Bescheid nicht ersichtlich oder die Bezeichnung des Betroffenen unrichtig ist und diese Angaben auch nicht aus dem Zusammenhang ermittelt werden können, oder bei fehlender Angabe des Tatzeitraums oder fehlender Bußgeldfestsetzung. Eine fehlende Belehrung rechtfertigt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Unwesentliche formale Mängel betr. die sog. Informationsfunktion (z.B. fehlende oder unzutreffende Angabe der Bußgeldvorschriften; s. auch Rz. 75) beeinträchtigen die Wirksamkeit des Bescheids nicht.
Ist der Bußgeldbescheid wegen wesentlicher Mängel, die im gerichtlichen Verfahren nicht geheilt werden können, unwirksam, dann stellt das Gericht nach Einspruch das Verfahren wegen Vorliegens eines Verfahrenshindernisses ohne Sachprüfung ein (§§ 206a, 260 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG, § 410 Abs. 1 AO). Die FinB kann dann innerhalb noch nicht rechtsverjährter Zeit einen neuen Bußgeldbescheid erlassen. Ein unwirksamer Bußgeldbescheid unterbricht nicht die Verjährung (s. § 377 Rz. 161). Hat der Betroffene gegen einen mit schweren Mängeln behafteten Bußgeldbescheid keinen Einspruch eingelegt, dann wird er rechtskräftig und vollstreckbar, sofern er nicht nichtig ist.
Wegen der fehlenden praktischen Relevanz braucht auf die Streitfrage, ob Bußgeldbescheide bei schweren Mängeln nichtig sein können (absolut unzuständige Behörde, z.B. Bundesvermögensamt; Verhängung einer Geldstrafe bei einer Ordnungswidrigkeit) nicht eingegangen zu werden.
Hat eine sachlich unzuständige FinB (s. Rz. 5) den Bußgeldbescheid erlassen, dann hat dies grds. nicht die Nichtigkeit des Bescheids zur Folge (s. auch § 387 Rz. 57). Der Zuständigkeitsmangel muss vielmehr im Einspruchsverfahren (§§ 67 ff. OWiG) geltend gemacht werden. Im gerichtlichen Verfahren führt dies zur Einstellung des Verfahrens gem. § 206a StPO.
Beispiel
Das HZA hat gegen S einen Bußgeldbescheid wegen einer leichtfertigen Einkommensteuerverkürzung (§ 378 AO) erlassen. Das HZA ist aber für die Verwaltung von Besitzsteuern sachlich nicht zuständig (s. Rz. 5; § 387 Rz. 9), gleichwohl aber funktionell die zur Ahndung von Steuer-(Zoll-)Ordnungswidrigkeiten zuständige FinB.
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a) Legt S hiergegen rechtzeitig Einspruch ein, so verliert der Bußgeldbescheid seine Wirkung und der Richter entscheidet über die Beschuldigung, ohne an die Festsetzungen des Bescheids gebunden zu sein (s. Rz. 110). |
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b) Lässt S dagegen die zweiwöchige Einspruchsfrist verstreichen, wird der Bußgeldbescheid rechtskräftig und vollstreckbar. |
Hat eine Verwaltungsbehörde trotz positiver Kenntnis ihrer örtlichen Unzuständigkeit (s. Rz. 6 f.) einen Bußgeldbescheid erlassen, so ist dieser unwirksam mit der Folge der Verfahrenseinstellung gem. § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 206a StPO.
Rz. 80
Das Unterbleiben der Belehrung über die Einspruchsmöglichkeit gem. § 66 Abs. 2 Nr. 1 OWiG hat nach überwiegender Ansicht keinen Einfluss auf die Wirksamkeit des Bußgeldbescheids und die Zustellung, d.h. die Einspruchsfrist beginnt gleichwohl zu laufen. Der Betroffene könne aber entsprechend § 52 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 44 Satz 2 StPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verlangen. Für die Praxis des Bußgeldverfahrens dürfte dieser Streit kaum von Bedeutung sein, da die Finanzämter Formulare mit den geforderten Aufdrucken benutzen.