Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Rückforderung von Fortbildungskosten bei rechtlichem Grund. Sofortige Annahme eines Angebots unter Anwesenden. Verspätete Annahme eines Angebots als neues Angebot. Nach § 7 Abs. 3 S. 2 BUrlG keine ausdrückliche Übertragung von Urlaub vonnöten
Leitsatz (amtlich)
Einzelfallentscheidung zur Rückforderung von fort- und Ausbildungskosten, Nutzungsausfallentschädigung, Urlaubsabgeltung und Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitsgebers bei der Urlaubsübertragung.
Normenkette
BGB §§ 145 ff.; ZPO § 138; BGB §§ 305, 307; Bundesurlaubsgesetz § 7; ZPO § 97 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Hagen (Westfalen) (Entscheidung vom 16.09.2021; Aktenzeichen 1 Ca 46/21) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hagen vom 16.09.2021 - 1 Ca 46/21 - unter Zurückweisung der Berufung der Beklagten teilweise abgeändert.
Unter vollständiger Zurückweisung ihrer Widerklage wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger weitere 1.390 € netto sowie weitere 6.275,22 € brutto nebst jeweils fünf Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 21.01.2021 zu zahlen.
Der Kläger trägt 16 %, die Beklagte 84 % der Kosten des arbeitsgerichtlichen Verfahrens. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger zu 20 %, der Beklagten zu 80 % auferlegt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten - klagend und widerklagend - um Zahlungsansprüche aus dem inzwischen beendeten Arbeitsverhältnis.
Der Kläger war bei der Beklagten auf der Basis eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 13.05.2019 nebst Nachträgen (Im Folgenden: AV-Nachträge) gleichen Datums über den Zeitraum vom 01.06.2019 bis zum 30.11.2020 als stellvertretende verantwortliche Pflegefachkraft mit regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit von 40 Stunden und einem Bruttomonatsverdienst von 3.250 € soweit einer Zulage von 200 € tätig. Arbeitsvertrag und Anhänge wurden dem Kläger vorformuliert von der Beklagten zur Unterzeichnung vorgelegt. Das Arbeitsverhältnis endete durch Kündigung des Klägers vom 01.11.2020.
Der Kläger, dem kalenderjährlich ein arbeitsvertraglicher Anspruch auf Gewährung von Erholungsurlaub im Umfang von 30 Tagen zustand, befand sich vom 06.01.2020 bis zum 28.01.2020, vom 20.04.2020 bis zum 24.04.2020, vom 26.07.2020 bis zum 31.07.2020, vom 03.08.2020 bis zum 07.08.2020 und vom 12.10.2020 bis zum 16.10.2020 und damit insgesamt an 37 Tagen im Erholungsurlaub.
Dem Kläger war ein Dienstfahrzeug zu einem Anschaffungspreis von etwa 21.000 € überlassen. Die dazu getroffene "Dienstwagenvereinbarung" vom 20.07.2019 legte u.a. fest:
"§ 7 Widerruf, Rückgabe des Fahrzeugs
Der Arbeitgeber behält sich vor, aus betriebliche Gründen die Rückgabe des Fahrzeugs nebst Zubehör von dem Arbeitnehmer zu verlangen, insbesondere bei Erkrankung des Arbeitnehmers mit dem Ende des Entgeltfortzahlungszeitraums, in der Elternzeit, mit Freistellung des Arbeitnehmers, sowie für den Fall einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses.
Dieses Widerrufsrecht des Arbeitgebers gilt unabhängig von der Wirksamkeit der Kündigung. Für die bisherige Privatnutzung wird dem Arbeitnehmer eine Nutzungsentschädigung in Höhe der lohnsteuerrechtlichen Nutzungspauschale gewährt."
Das Dienstfahrzeug gab der Kläger am 22.01.2020 bei der Beklagte ab. Er stellte das Fahrzeug auf den Betriebshof der Beklagten vor das dortige Büro. Den Fahrzeugschlüssel gab der Kläger Ende Januar 2020 ab.
Der Kläger nahm in der Zeit von August bis November 2020 an einer Fortbildung zum Erwerb des Zertifikats "Pflegeexperte für die außerklinische Beatmungspflege" teil. Die Kosten für die Teilnahme des Klägers beliefen sich auf 1.890 €. Der Kläger erhielt einen Bildungsscheck in Höhe von 500 €, der vom Bildungsträger auf diese Kosten angerechnet wurde. Für die Teilnahme wurde der Kläger von der Arbeit unter Vergütungszahlung an insgesamt 12 Tagen freigestellt.
Arbeitsvertraglich regelten die Parteien in den Nachträgen vom 13.05.2021 u.a. Folgendes:
"§ 13 Vereinbarung Fortbildung (Anhang 6 und 7)
"Vereinbarung über Fortbildung mit Rückzahlungsklausel"
Der Arbeitnehmer nimmt nach der Probezeit (6 Monate) verpflichtend an folgenden Fortbildungsmaßnahmen teil: (Grundkurs Pflegefachkraft Beatmungspflege (falls noch nicht vorhanden), innerbetriebliche, regelmäßige Schulungen, sonstige Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen.
(...)
Der Arbeitnehmer ist zur Rückzahlung der für die Dauer der Fortbildungsmaßnahmen empfangenen Bezüge und der von dem Arbeitgeber übernommenen Kosten der Fortbildungsmaßnahme verpflichtet, wenn er das Arbeitsverhältnis selbst kündigt oder wenn das Arbeitsverhältnis vom Arbeitgeber aus einem Grund gekündigt wird, den der Arbeitnehmer zu vertreten hat."
Einer zweitinstanzlich erstmals vorgelegten "Dienstvereinbarung über Arbeitszeitkonten vom 13.05.2019 ist im dortigen § 2 "Führung des Arbeitszeitkontos" zu entnehmen, dass die Beklagte ein Arbeitszeitkonto mittels eines elektronischen Arbeitszeiterfassungssystems für die Erfassung der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit unterhält,...