Entscheidungsstichwort (Thema)

Übungspräzise Funktion eines ehemaligen Personalrats bei Privatisierung als Betriebsrat

 

Leitsatz (amtlich)

1. Tarifvertraglich kann im Falle einer Privatisierung (hier: Kommunaler Stadtwerke) dem ehemaligen Persoanlrat nicht das Recht eingeräumt werden, nach der Privatisierung für eine Übergangszeit als Betriebsrat zu fungieren. Dem steht § 3 BetrVG entgegen. Auch aus Art. 5 der EG-Richtlinie 1998/50/EG läßt sich jedenfalls derzeit keine entsprechende Befugnis ableiten.

2. § 321 UmwG kann auf den Fall der Privatisierung öffentlicher Unternehmen nicht analog angemeldet werden.

 

Normenkette

BetrVG § 3; UmwG § 321; EGRL 50/98 Art. 5

 

Verfahrensgang

ArbG Bonn (Entscheidung vom 07.01.2000; Aktenzeichen 5 BVGa 24/99)

 

Tenor

Auf die Beschwerden der Antragsgegner wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Bonn vom 07.01.2000 – 5 BV Ga 24/99 – abgeändert:

Die Verfügungsanträge des Antragstellers werden zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller ist der ehemalige Personalrat Verkehr im Bereich des ehemaligen Eigenbetriebes Stadtwerke B. . Dieser letztere wurde im Wege der privatisierenden Ausgliederung privatisiert und als die jetzige Beteiligte zu 3) (Stadtwerke B. GmbH) am 09.11.1999 in das Handelsregister eingetragen wurde. Nachdem am 22.11.1999 die Spartengesellschaften Energie- und Wasserversorgung B./Rh. -S. GmbH, Stadtwerke B. V. -GmbH und Stadtwerke B. D-GmbH in das Handelsregister eingetragen worden waren, nimmt der Antragsteller sowohl innerhalb der Beteiligten zu 3) als Holdinggesellschaft als insbesondere auch in der Stadtwerke B. V. -GmbH als der nach der Arbeitnehmerzahl größten Spartengesellschaft die Rechte eines Betriebsrats in Anspruch und meint, im Gegensatz zu dem in der Spartengesellschaft Energie- und Wasserversorgung B./Rh. -S. GmbH durch Wahl hervorgegangenen Betriebsrat (Beteiligten zu 2) das Recht zu haben, den Hauptwahlvorstand für die Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat der Beteiligten zu 3) bestellen zu können.

Für dieses Recht beruft sich der Antragsteller auf den zwischen der Stadt B. und der ÖTV abgeschlossenen Personalüberleitungstarifvertrag (ÜLTV), gleichlautend mit einem mit der Gemeinschaft von Gewerkschaften und Verbänden des öffentlichen Dienstes abgeschlossenen Tarifvertrag, der in § 8 regelt:

„§ 8 Übergangsmandat der Personalräte

(1) Die Aufgaben des Betriebsrates in der Gesellschaft nehmen in ihrem bisherigen Zuständigkeitsbereich die im Eigenbetrieb gebildeten Personalräte übergangsweise wahr (mit Ausnahme der Bestellung eines Wahlvorstandes für die Wahl des Betriebsrates).

(2) Das Übergangsmandat der Personalräte endet, sobald ein Betriebsrat gewählt und die konstituierende Sitzung durchgeführt wurde, spätestens jedoch mit Ablauf von 6 Monaten nach dem in § 2 (1) bestimmten Stichtag.

(3) Der örtliche Personalrat Verkehr übernimmt in Abstimmung mit dem örtlichen Personalrat Versorgung für die Wahl des Betriebsrats die Bestellung eines Wahlvorstandes, der aus 7 Personen besteht.”

Der Antragsteller hat im Wege der einstweiligen Verfügung beantragt,

  1. dem Beteiligten zu 2) wird untersagt, einen Hauptwahlvorstand zur Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat der Beteiligten zu 3) zu bestellen,
  2. die Beteiligte zu 3) wird verpflichtet, in einem Rundschreiben an die Beschäftigten des Unternehmens mitzuteilen, dass der Antragsteller den Hauptwahlvorstand bestellt.

Die Beteiligten zu 2) und 3) haben beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 07.01.2000 den Anträgen stattgegeben. Dagegen richten sich die Beschwerden der Beteiligten zu 2) und 3).

II.

Das Verfahren wurde durch die in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer erklärte Antragsrücknahme nicht beendet, da die übrigen Beteiligten die dazu gemäß § 87 II 3 ArbGG erforderliche Zustimmung verweigerten. Die zulässigen, form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Beschwerden der Beteiligten zu 2) und 3) hatten in der Sache Erfolg.

1. Es fehlt an einem Verfügungsanspruch, da dem Antragsteller Rechte aus dem Betriebsverfassungsgesetz ebensowenig zustehen wie Rechte aus der dritten Wahlordnung zum Mitbestimmungsgesetz.

a) Die Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes über die Organisation der in ihm geregelten Vertretungen der Arbeitnehmer sind grundsätzlich zwingend und keiner Abänderung durch Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag zugänglich. Etwas anderes gilt nur, soweit das Gesetz ausdrücklich abweichende Regelungen zuläßt (vgl. mit Nachweisen zur ganz herrschenden Auffassung Fitting/Kaiser/Heither/Engels § 3 BetrVG Rdn. 1). Die enumerative Fassung des § 3 BetrVG läßt eine andere Auslegung nicht zu.

Ein in § 3 Abs. 1 geregelter Fall einer Abweichung durch Tarifvertrag liegt hier nicht vor. Weder werdenzusätzliche betriebsverfassungsrechtliche Vertretungen der Arbeitnehmer bestimmter Beschäftigungsarten oder Arbeitsbereiche (Arbeitsgruppen) geschaffen, noch wird die Einrichtung einer anderen Vertretung der Arbeitnehmer für Betriebe, in denen wegen ihrerEigen...

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