Entscheidungsstichwort (Thema)
Urlaub. Arbeitsunfähigkeit. Übertragung. Verfall
Leitsatz (amtlich)
Kann Urlaub aufgrund einer Erkrankung des Arbeitnehmers bis zum Ablauf des Übertragungszeitraums nicht genommen werden und steht er deshalb dem Arbeitnehmer noch zum Zeitpunkt der Wiedergenesung zu, unterfällt er bei fortbestehendem Arbeitsverhältnis gemeinsam mit dem Urlaub aus dem Jahr der Wiedergenesung der Verfallfrist des § 7 Abs. 3 BurlG. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Zeitraum zwischen Wiedergenesung und Ende Urlaubsjahres zur vollständigen Inanspruchnahme des Urlaubs ausreicht. Anders als beim Urlaubsabgeltungsanspruch greifen (allgemeine) vertragliche oder tarifvertragliche Verfallfristen nicht ein.
Normenkette
BUrlG § 7 Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Aachen (Urteil vom 08.12.2009; Aktenzeichen 4 Ca 2559/09) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 08.12.2009 (4 Ca 2559/09) wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger noch Urlaubsansprüche für die Jahre 2005 – 2007 zustehen. Der Kläger ist seit dem 01.01.1991 bei der Beklagten, die unter anderem ein Busunternehmen unterhält, als Busfahrer/Fahrausweisprüfer beschäftigt. Kraft arbeitsvertraglicher Verweisung findet auf das Arbeitsverhältnis seit dem 01.01.2007 der Spartentarifvertrag Nahverkehrsbetriebe (TV-N NW) nebst Überleitungstarifvertrag Anwendung. Die Urlaubsregelung findet sich in § 15 des Tarifvertrages. Insoweit wird auf die Anlage B 7 (Bl. 68 d. A.) Bezug genommen. § 21 dieses Tarifvertrages lautet wie folgt:
„Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von 6 Monaten nach Fälligkeit schriftlich gegenüber dem Arbeitsvertragspartner geltend gemacht werden. Für denselben Sachverhalt reicht die einmalige Geltendmachung aus.”
In der Zeit vom 11.01.2005 bis Juni 2008 war der Kläger durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Seit Juni 2008 arbeitet er wieder als Fahrausweisprüfer für die Beklagte. In den Jahren 2005 – 2007 erhielt der Kläger keinen Urlaub, wobei er einen jährlichen Anspruch auf 30 Urlaubstage hat. Nachdem dem Kläger im Jahr 2008 30 Urlaubstage gewährt worden waren, machte er mit Schreiben vom 22.04.2009 erstmals seine Urlaubsansprüche aus den Jahren 2005 bis 2007 geltend.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, der Urlaub der Jahre 2005 bis 2007 sei ihm nach der Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs nachzugewähren. Eine Verfallklausel könne nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht eingreifen. Zudem sei eine Berufung auf den Verfall auch treuwidrig, da die Entscheidung des europäischen Gerichtshofs erst im Januar 2009 ergangen und ihm zur Kenntnis gelangt sei.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, ihm Erholungsurlaub für die Jahre 2005 – 2007 von insgesamt 90 Urlaubstagen zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Ansicht vertreten, der Anspruch des Klägers sei nach der Ausschlussklausel des Tarifvertrags verfallen, da er nicht binnen 6 Monaten nach Wiedergenesung geltend gemacht worden sei. Zumindest der über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausgehende tarifliche Urlaub sei nach den tariflichen Regelungen verfallen. Schließlich könne sie sich hinsichtlich des Urlaubs für das Jahr 2005 auf Vertrauensschutz berufen.
Das Arbeitsgericht Aachen hat mit Urteil vom 08.12.2009 (4 Ca 2559/09) die Klage abgewiesen. Es hat seine Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, dass dahinstehen könne, ob die Urlaubsansprüche gemäß § 21 TV-N NW erloschen seien; der Anspruch sei jedenfalls nach § 7 Abs. 3 BUrlG erloschen, da ein Grund für die Übertragung auf das Urlaubsjahr 2009 nicht ersichtlich sei. § 15 Abs. 2 TV-N NW enthalte insoweit keine andere Regelung.
Der Kläger hat gegen dieses, ihm am 06.01.2010 zugestellte Urteil am 08.01.2010 Berufung eingelegt und diese am 25.02.2010 begründet. Mit seiner Berufung verfolgt er seinen Anspruch weiter, wobei er dies aufgrund von Zulässigkeitsbedenken der Kammer im Hinblick auf den gestellten Leistungsantrag im Wege der Feststellungsklage tut.
Er vertritt die Ansicht, § 7 Abs. 3 BUrlG beziehe sich nur auf den Urlaub aus dem jeweiligen Kalenderjahr. Zudem habe er die Ausschlussfrist eingehalten.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen abzuändern und festzustellen, dass ihm für die Jahre 2005 bis 2007 ein Erholungsurlaub in Höhe von insgesamt 90 Urlaubstagen zusteht.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie behauptet eine Geltendmachung des Urlaubsanspruchs für die Jahre 2005 bis 2007 sei im Jahr 2008 nicht erfolgt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige, insbesondere statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 64 Abs. 1, Abs. 2 ...