Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitsentgelt

 

Leitsatz (amtlich)

1. In Dachdeckerbetrieben in Bayern beschäftigte ausgebildete Spengler unterfallen nicht direkt dem Lohntarifvertrag für das Dachdeckerhandwerk in Bayern vom 08.07.1997.

2. Hinsichtlich dieses Personenkreises liegt eine unbewusste Tariflücke vor.

3. Diese Tariflücke ist im Wege der Analogie in der Weise zu schließen, dass die für Dachdecker geschaffenen Lohngruppen sinngemäß für die Eingruppierung der Spengler herangezogen werden.

4. Zum Normcharakter nicht unterzeichneter Anlagen zu einem Tarifvertrag.

 

Normenkette

TVG § 1 Abs. 2, § 4 Abs. 1, 3

 

Verfahrensgang

ArbG Würzburg (Urteil vom 17.06.1998; Aktenzeichen 10 Ca 3242/97 W)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 16.02.2000; Aktenzeichen 4 AZR 422/99)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Würzburg vom 17.06.1998 – 10 Ca 3242/97 W – wird auf Kosten der Berufungsführerin zurückgewiesen.

2. Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Höhe des tariflichen Stundenlohnanspruches des Klägers insbesondere vor dem Hintergrund der Fragen, welcher Lohntarifvertrag anwendbar ist, sowie in welche Lohngruppe der Kläger eingruppiert ist.

Der Kläger ist seit dem 01.09.1972 bei der Beklagten, einem Betrieb des Dachdeckerhandwerks, beschäftigt.

Der Kläger ist ausgebildeter Spenglergeselle mit abgeschlossener Gesellenprüfung. Er führt bei der Beklagten überwiegend Spenglerarbeiten aus.

Bei der Beklagten sind insgesamt ca. 100 Arbeitnehmer tätig. Im Betrieb der Beklagten besteht eine Spenglerabteilung mit insgesamt 18 Arbeitnehmern, die von einem Spenglermeister geleitet wird.

Die Beklagte vergütete den Kläger in dem streitgegenständlichen Zeitraum August 1997 mit April 1998 auf der Basis eines Stundenlohnes in Höhe von DM 25,82, den die Beklagte dem Lohntarifvertrag vom 18.11.1994 für gewerbliche Arbeitnehmer (u. a.) im Spenglerhandwerk in Bayern, abgeschlossen zwischen dem Fachverband Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik Bayern und der Industriegewerkschaft Metall (im Folgenden: LTV-Spengler), entnommen hat.

Der Kläger macht einen Anspruch auf einen Stundenlohn in Höhe von DM 27,26 geltend, der sich aus dem Lohntarifvertrag für das Dachdeckerhandwerk in Bayern vom 08.07.1997 (im Folgenden: LTV) in Verbindung mit der Lohngruppe I (Dachdecker-Vorarbeiter) der als Anhang 1 zum LTV geregelten Lohntafel (im folgenden: LT) und dem (die „Tätigkeitsmerkmale” enthaltenden) Anhang 2 zum LTV ergibt. Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits sind Mitglieder der Tarifvertragsparteien, die den LTV abgeschlossen haben.

Wegen des weiteren erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird gemäß § 543 Abs. 2 Sätze 1 und 2 ZPO auf den ausführlichen Tatbestand des angefochtenen Endurteils (Bl. 54–59 d.A.) Bezug genommen.

Der Kläger hat beantragt:

  1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger DM 1.577,88 brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich ergebenden Nettobetrag seit 15.06.1998 zu zahlen.
  2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger ab dem 01.05.1998 entsprechend der Lohngruppe I des Lohntarifvertrages für das Dachdeckerhandwerk in Bayern vom 08.07.1997 zu vergüten.

Die Beklagte hat

Klageabweisung

beantragt.

Durch Urteil vom 17.06.1998 hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben. Wegen der Entscheidungsgründe wird auf Bl. 60–73 d.A. verwiesen.

Gegen das ihr am 09.07.1998 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 06.08.1998 – beim Landesarbeitsgericht Nürnberg am Folgetag eingegangen – Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 24.08.1998 – beim Landesarbeitsgericht Nürnberg am Folgetag eingegangen – begründet.

Die Beklagte wiederholt in der Berufungsinstanz im Wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie meint, der Kläger erfülle mangels abgelegter Gesellenprüfung im Dachdeckerhandwerk und wegen der fehlenden Verrichtung von Dachdeckerarbeiten nicht die tatbestandlichen Voraussetzungen der Lohngruppen III, II und I LT zum LTV. Der Kläger sei vielmehr richtigerweise in Lohngruppe III c LT einzugruppieren (angelernter Facharbeiter). Der dem Kläger nach dem LTV-Spengler bezahlte Lohn übersteige den sich aus der Lohngruppe III b LT ergebenden Lohn.

Die Beklagte beantragt deshalb:

Das am 17.06.1998 unter dem Aktenzeichen 10 Ca 3242/97 W verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Würzburg wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Der Kläger beantragt:

Die Berufung der Beklagten vom 06.08.1998 gegen das Endurteil des ArbG Würzburg vom 17.06.98, Az.: 10 Ca 3242/97 W, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Der Kläger verteidigt das Ersturteil und meint, dass er der LT unterfalle und nach Lohngruppe I LT zu vergüten sei.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf den Inhalt des Schriftsatzes der Beklagten vom 24.08.1998 (Bl. 97–104 d.A.) sowie des Schriftsatzes des Klägers vom 12.10.1998 (Bl. 111–114 d.A.) verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

A.

Die Berufung ist nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes statthaft gemäß § 64 Abs. ...

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