Entscheidungsstichwort (Thema)
sonstiges
Leitsatz (amtlich)
1. Verweist die Berufungsklagepartei in der mündlichen Verhandlung auf ihren schriftsätzlichen Vortrag und enthält der maßgebliche Schriftsatz die Berufungsanträge, ist § 297 Abs. 2 ZPO erfüllt.
2. Jedenfalls dann, wenn neben der Bezugnahme auf Schriftsätze im Sinne des § 297 Abs. 2 ZPO noch Erklärungen zur Sache abgegeben werden, ist die Partei als erschienen im Sinne des § 333 ZPO anzusehen. Diese Rechtswirkung kann nicht – auch nicht durch die Erklärung der Klagepartei, sie wolle keine Anträge stellen – widerrufen werden. Deshalb ist bei dieser Sachlage trotz der Erklärung der Klagepartei, keine Anträge stellen zu wollen, bei Entscheidungsreife ein streitiges Urteil zu erlassen.
3. Der Antrag der Beklagtenpartei, die Berufung durch Versäumnisurteil zurückzuweisen, ist hinsichtlich des Antrags auf Erlass eines Versäumnisurteils als Hilfsantrag zu werten, der als unter der Bedingung gestellt zu sehen ist, dass kein die Berufung zurückweisendes streitiges Urteil ergeht.
4. Geriert sich ein Tätiger über 10 Jahre in besonderer Weise als freier Mitarbeiter, kann beim Vertragspartner das Vertrauen erweckt werden, der Tätige sei freier Mitarbeiter oder der Tätige werde einen etwaigen Arbeitnehmerstatus nicht geltend machen.
In einem solchen Fall kann der Tätige rechtsmissbräuchlich handeln, wenn er dann doch gerichtlich die Arbeitnehmereigenschaft festgestellt haben möchte.
Normenkette
ZPO §§ 297, 333; BGB § 242
Verfahrensgang
ArbG Nürnberg (Urteil vom 31.03.2000; Aktenzeichen 2 Ca 6864/99) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 31.03.2000 – Az. 2 Ca 6864/99 – wird insoweit als unzulässig verworfen, als sie sich gegen die Abweisung des Antrags richtet, das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses in der Zeit vom 01.04.1989 bis 30.09.1998 festzustellen.
Im Übrigen wird die Berufung als unbegründet zurückgewiesen.
2. Der in der Berufungsinstanz erstmals geltend gemachte Antrag, die Unwirksamkeit des Vertrags vom 21.10.1998 als freier Mitarbeitervertrag festzustellen, wird abgewiesen.
3. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
4. Die Revision wird für die Klägerin zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Rahmen von Feststellungsklagen darüber, ob zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis bestanden hat und noch besteht.
Die Klägerin ist seit dem 01.04.1989 im Wesentlichen als Herstellerin des periodisch erscheinenden Warenkatalogs, zuerst im Druckbereich, dann im Bereich CD-Rom und dann im Internet beschäftigt gewesen. Die Beklagte betrachtete die Klägerin stets als freie Mitarbeiterin. Die Klägerin schrieb periodisch, meist monatlich, Rechnungen mit Mehrwertsteuerausweis. Zumindest ab Mai 1997 vermerkte die Klägerin auf ihren Rechnungen ausdrücklich: „für freie Mitarbeit”. Sie verrechnete für 1997 DM 119.353,–, für 1998 DM 151.550,– (allein für Oktober: DM 23.550,–), für Januar bis Juli 1999 DM 132.750,– (jeweils zuzüglich Mehrwertsteuer). Lohnfortzahlungsansprüche für Urlaubs- und Krankheitszeiten machte sie nie geltend, Lohnsteuerkarten reichte sie nicht ein. Am 21.10.1998 unterzeichnete sie einen Vertrag über freie Mitarbeit mit Wirkung vom 1.10.1998 (Bl. 17–19 d.A.). Ihrer Behandlung als freie Mitarbeiterin hat sie nie widersprochen. Mit Schreiben vom 15.07.1999 kündigte die Beklagte das Rechtsverhältnis zum 31.07.1999.
Mit ihrer beim Arbeitsgericht Nürnberg am 06.08.1999 eingegangenen Klage hat sich die Klägerin unter anderem gegen diese Kündigung gewandt. Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie sei Arbeitnehmerin der Beklagten gewesen, und die Kündigung sei mangels sozial rechtfertigenden Grundes und wegen unterlassener Betriebsratsanhörung unwirksam.
Die Klägerin hat beantragt:
- Es wird festgestellt, dass zwischen der klägerischen und der beklagten Partei seit dem 01.04.1989 ein Arbeitsverhältnis besteht.
- Es wird festgestellt, dass die Kündigung des Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien vom 15.07.1999, zugegangen am 16.07.1999, unwirksam ist und das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien fortbesteht.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Meinung vertreten, dass die Klägerin angesichts der besonderen Umstände des vorliegenden Falles rechtsmissbräuchlich handle (laufende Rechnungstellung durch die Klägerin mit Mehrwertsteuerausweis; sehr hohes Einkommen, das ein Arbeitnehmer mit der Tätigkeit der Klägerin bei weitem nicht erreichen könne; Unterzeichnung des Vertrages vom 21.10.1998; Nichtvorlage von Lohnsteuerkarten; Nichtgeltendmachung von Lohnfortzahlungsansprüchen bei Urlaub und Krankheit; widerspruchsloses Arbeiten). Sie (die Beklagte) habe darauf vertraut, dass die Klägerin nicht geltend machen werde, als Arbeitnehmerin behandelt zu werden. Im Übrigen sei die Klägerin auch materiell-rechtlich nicht als Arbeitnehmerin anzusehen.
Durch das den Klägervertretern am 31.03.2000 zugestellte Urteil vom 2...