Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung des Insolvenzverwalters für Lohnansprüche als Masseverbindlichkeiten. Schadensersatz
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Insolvenzverwalter haftet ungekündigten Arbeitnehmern gem. §§ 61 Abs. 1, 60 InsO nur auf das negative Interesse. Die Arbeitnehmer sind so zu stellen, als hätte der Insolvenzverwalter nach Insolvenzeröffnung rechtzeitig gekündigt.
2. Der Insolvenzverwalter handelt nicht pflichtwidrig, wenn er bei Betriebsfortführung die Forderungen der Lieferanten und der tatsächlich weiterbeschäftigten Arbeitnehmer vollständig erfüllt, während die Forderungen der gekündigten und freigestellten Arbeitnehmer zurückgestellt werden.
Normenkette
InsO § 61 Abs. 1, § 60
Verfahrensgang
ArbG Halle (Saale) (Urteil vom 16.04.2004; Aktenzeichen 7 Ca 3257/03) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen dasUrteil des Arbeitsgerichts Halle vom16.04.2004 – Az.: 7 Ca 3257/03 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt vom Insolvenzverwalter Zahlung der Differenz zwischen erhaltenem Arbeitslosengeld und beanspruchtem Verzugslohn für die Dauer der Kündigungsfrist von November 2002 bis Januar 2003 in rechnerisch an sich unstreitiger Höhe von insgesamt 5.152,44 Euro.
Der Kläger war bei der Schuldnerin als Vertriebsleiter beschäftigt. Die Schuldnerin beschäftigte am Vertriebsstandort in etwa 30 und im Betrieb in Hettstedt etwa 50 Arbeitnehmer. Am 01.06.2002 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Der Insolvenzverwalter führte den gesamten Betrieb zunächst fort und zahlte die Löhne und Gehälter bis einschließlich Oktober 2002.
Mit Schreiben vom 28.10.2002 kündigte der Beklagte im Rahmen der Kündigung der Arbeitnehmer in auch das Arbeitsverhältnis des Klägers zum 31.01.2003 und stellte den Kläger wie die anderen Gelsenkirchener Arbeitnehmer gleichzeitig von der Erbringung der Arbeitsleistung frei. Der Beklagte zahlte den freigestellten Arbeitnehmern während der Kündigungsfrist kein Arbeitsentgelt. Der Kläger erhielt wie die anderen gekündigten Arbeitnehmer in der Kündigungsfrist Arbeitslosengeld.
Der Beklagte führte den Betrieb in … mit den verbliebenen etwa 50 Arbeitnehmern fort. Der Beklagte zahlte diesen die Löhne und Gehälter. Er befriedigte auch die Lieferanten usw. Anfang 2003 übertrug er das operative Geschäft in … auf die Eifelwerk-Gruppe. Am 12.07.2003 zeigte der Beklagte Masseunzulänglichkeit an.
Der Kläger macht geltend, der Beklagte schulde ihm die Differenz zwischen dem erhaltenen Arbeitslosengeld und den ihm zustehendem Gehalt für die Kündigungsfrist von November 2002 bis Januar 2003 in rechnerisch an sich unstreitiger Höhe von insgesamt 5.152,44 Euro. Der Beklagte meint, der Kläger habe keinen Anspruch.
Mit Urteil vom 16.04.2004, auf das zur weiteren Sachdarstellung Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht Halle – Az.: 7 Ca 3257/03 – die Klage abgewiesen. Wegen der Begründung wird Bezug genommen auf die Entscheidungsgründe Blatt 81 bis 84 der Akten.
Gegen dieses ihm am 01.07.2004 zugestellte Urteil richtet sich die am 19.07.2004 eingelegte und am 27.08.2004 begründete Berufung des Klägers. Der Kläger wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen. Er macht insbesondere geltend, der Beklagte sei ihm zum Schadensersatz verpflichtet. Die Pflichtverletzung des Beklagten bestehe darin, dass er es schuldhaft unterlassen habe, die bereits im Februar 2003 fällig gestellten Differenzlohnansprüche des Klägers fristgerecht zu begleichen. Bei pflichtgemäßer Auszahlung zum Zeitpunkt der Fälligkeit wäre dem Kläger kein Schaden entstanden, weil zu dem Zeitpunkt noch keine Masseunzulänglichkeit bestanden habe bzw. hat. Wegen der Einzelheiten der Berufungsbegründung wird Bezug genommen auf die Berufungsbegründung vom 25.08.2004 (Bl. 98 bis 119 d. A.).
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Halle vom 16.04.2004 – 7 Ca 3257/03 – abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 5.152,44 Euro netto nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.03.2003 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil u. a. nach Maßgabe seiner Berufungserwiderung vom 04.10.2004, auf die Bezug genommen wird (Bl. 106 bis 119 d. A.).
Auch wegen des zweitinstanzlichen Vortrages der Parteien im Übrigen wird Bezug genommen auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschrift.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klage ist nicht begründet.
1. Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Schadensersatzanspruch gemäß § 61 I 1 InsO.
Gemäß § 61 I 1 InsO ist der Verwalter dem Massegläubiger zum Schadensersatz verpflichtet, wenn eine Masseverbindlichkeit, die durch eine Rechtshandlung des Insolvenzverwalters begründet worden ist, aus der Insolvenzmasse nicht voll erfüllt werden kann.
Allerdings ist die Klageforderung, die unstreiti...