Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausgenommene Forderungen bei der Erteilung einer Restschuldbefreiung. Vorliegen einer Verbindlichkeit aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung
Normenkette
InsO § 302 Nr. 1; BGB § 823 Abs. 1-2; StGB § 249
Verfahrensgang
Tenor
Es wird festgestellt, dass es sich bei den Verbindlichkeiten aus dem Urteil des Landgerichts Köln vom 14.02.2002 und aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 02.05.2002 in dem Verfahren Az. 2 O 577/99 um solche aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung im Sinne des § 302 Nr. 1 InsO handelt.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob es sich bei Ansprüchen des Klägers, die er gemeinsam mit seinen Geschwistern in einem Vorprozess gegen den Beklagten erstritten hat, um Verbindlichkeiten des Beklagten aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung i.S. von § 302 Nr. 1 InsO handelt. Mit diesen Verbindlichkeiten hat es folgende Bewandtnis:
Die 89-jährige Mutter des Klägers wurde am 24.04.1999 Opfer eines Überfalls. Sie war zu Fuß unterwegs, als ihr ein Freund des Beklagten – auf Inline-Skates fahrend – die von ihr geschulterte Tasche entriss. Im Anschluss hieran kam der damals 13-14-jährige Beklagte sogleich absprachegemäß auf einem Fahrrad herangefahren und zog seinen Freund hinter sich her, um ihm eine schnellere Flucht zu ermöglichen. Die Mutter des Klägers kam zu Fall, als ihr der Freund des Beklagten die Tasche entriss. Sie zog sich durch diesen Sturzverletzungen (Beckenringfraktur) zu, an deren Folgen sie kurze Zeit darauf verstarb.
Der Kläger und seine Geschwister sind die Erben der Verstorbenen. Sie machten im Vorprozess gegen den Beklagten und seinen Freund die Schmerzensgeldansprüche ihrer Mutter sowie weitere Ansprüche geltend, die anlässlich des Krankenhausaufenthaltes ihrer Mutter sowie durch deren Beerdigung entstanden sind. Das Landgericht Köln (Urteil vom 14.02.2002 – 20 577/99) gab ihrer Klage in Höhe von 22.499,32 EUR nebst Zinsen statt. Dabei ging das Gericht auf dem Boden der getroffenen Feststellungen davon aus, dass der Beklagte und sein Freund diesen Angriff zuvor gemeinsam geplant und auch gemeinschaftlich handelnd durchgeführt hatten (§ 830 BGB). Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das o.g. Urteil des Landgerichts Köln Bezug genommen. Im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 02.05.2002 setzte das Landgericht fest, dass der Beklagte und sein Freund als Gesamtschuldner einen Betrag in Höhe von 2.339,17 EUR nebst Zinsen an den Kläger und seine Geschwister zu erstatten hätten.
Am 15.08.2003 eröffnete das AG Köln das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Beklagten. Am 03.09.2003 meldete der Kläger gegenüber dem Treuhänder die Forderung aus dem Urteil des Landgerichts Köln vom 14.02.2002 sowie aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss im gleichen Verfahren vom 02.05.2002 als Forderungen aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung an. In die Insolvenztabelle wurde am 04.11.2003 eingetragen, dass der Beklagte der Feststellung der Forderung des Klägers widerspricht, soweit der Anspruch aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung angemeldet ist.
Der Kläger ist der Ansicht, bei den angemeldeten Forderungen handele es sich um solche aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung i.S.d. § 302 Nr. 1 InsO.
Er beantragt,
festzustellen, dass es sich bei dem Überfall des Beklagten auf die Mutter des Klägers am 24.04.1999 um eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung im Sinne des § 302 Nr. 1 InsO handelt.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte weist darauf hin, dass das Landgericht Köln in seinem o.g. Urteil nur eine Aussage zum Vorliegen eher fahrlässigen Körperverletzung und einer fahrlässig herbeigeführten Todesfolge getroffen habe. Er meint weiterhin, dass die im Kostenfestsetzungsbeschluss titulierte Forderung nicht unter die Regelung des § 302 Nr. 1 InsO falle, sondern von der Restschuldbefreiung erfasst werde.
Schließlich ist der Beklagte der Auffassung, es würden verfassungsrechtliche Bedenken gegen eine Rechtsordnung bestehen, die einen jungen Menschen wegen einer Verfehlung im Kindes- oder Jugendalter für den Rest seines Lebens auf die Grenze des pfändungsfreien Existenzminimums beschränke. Der Beklagte dürfe nicht wegen einer "Jugendsünde" daran gehindert werden, sich als Erwachsener eine bürgerliche Existenz aufzubauen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und begründet.
1)
Das für die Feststellungsklage gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse des Klägers folgt daraus, dass in dem Urteil des LG Köln vom 14.02.2002 keine Feststellung dahingehend getroffen ist, dass es sich ...