Rn. 2023
Stand: EL 148 – ET: 12/2020
Neben dem Erreichen der in s Rn 2022 genannten Altersgrenze ist das Vorliegen einer dauerhaften Berufsunfähigkeit eine weitere Alternative, um den Freibetrag in Anspruch nehmen zu können. Maßstab für die Beurteilung und Feststellung der dauerhaften Berufsunfähigkeit ist allein das Sozialversicherungsrecht (OFD Nds v 20.12.2011, S 2242–94 – St 221/St 222, DB 2012, 377 Tz 377; Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz 579 (39. Aufl); FG RP v 16.09.2008, 2 K 2140/07, EFG 2008, 1954; vgl zur bis (einschließlich) 1995 vorgenommenen eigenständigen Auslegung BFH v 26.09.1996, IV R 17/96, BFH/NV 1997, 224).
Nach der derzeitigen Regelung in § 240 Abs 2 SGB VI liegt Berufsunfähigkeit dann vor, wenn die Erwerbsfähigkeit des Veräußerers wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Aufgrund dieses Verweises genügt eine Minderung der Erwerbsfähigkeit im vorgenannten Sinne für die Annahme der dauerhaften Berufsunfähigkeit für Zwecke des § 16 EStG (ebenso Kobor in H/H/R, § 16 EStG Rz 709 (Februar 2013)). Auf die Versicherteneigenschaft im Sinne des gesetzlichen oder privaten Versicherungsschutzes kommt es dabei nicht an. Der Verweis in § 16 Abs 4 EStG auf das Sozialversicherungsrecht ist mE ein dynamischer Verweis, Änderungen des SGB VI wirken sich somit auf das Steuerrecht aus.
Rn. 2024
Stand: EL 148 – ET: 12/2020
Aus § 240 Abs 2 SGB VI folgt auch, dass es auf den bisherigen Beruf ankommt, und zwar auf den ausgeübten, nicht auf den erlernten Beruf (so wohl auch OFD Nds v 20.12.2011, S 2242–94 – St 221/St 222, DB 2012, 377 Tz 377). Ob der ausgeübte Beruf ein anerkannter Ausbildungsberuf oder ein freier (uU in gewerblicher Rechtsform) ausgeübter Beruf ist, ist unerheblich. Die für sozialversicherungsrechtliche Zwecke bedeutsamen sog Verweisungsberufe nach § 240 Abs 2 S 2–4 SGB VI sind grundsätzlich nur beachtlich, wenn sie im veräußerten oder aufgegebenen Betrieb ohne größere Schwierigkeiten hätten ausgeübt werden können (FG D'dorf v 20.02.2002, 16 K 5432/99 E, EFG 2002, 823), was mE bei einer ggf erforderlichen Umschulung nicht mehr der Fall ist. Insoweit hat die sozialversicherungsrechtliche Regelung eine andere Zielsetzung als die steuerliche, die vor allem verhindern soll, dass eine durch Alter oder Berufsunfähigkeit (mit)verursachte Betriebsveräußerung oder -aufgabe zu der mit einer einmaligen Auflösung zusammengeballter stiller Reserven verbundenen Härte führt (FG D'dorf v 20.02.2002, 16 K 5432/99 E, EFG 2002, 823; FG RP v 16.09.2008, 2 K 2140/07, EFG 2008, 1954).
Zwingend ist das mE nicht, da es nicht darauf ankommen kann, ob Alter oder Berufsunfähigkeit für die Betriebsveräußerung oder -aufgabe ursächlich sind (ebenso OFD Nds v 20.12.2011, S 2242–94 – St 221/St 222, DB 2012, 377 Tz 377; ebenso Kobor in H/H/R, § 16 EStG Rz 709 (Februar 2013); vgl auch Kanzler, FR 1995, 851, wonach der Wegfall der kausalen Konjunktion "wegen" allein zufällig erfolgte, ohne dass der Gesetzgeber damit von der bis 1995 geltenden Rechtslage abweichen wollte; Jacobsen in Fuhrmann/Kraeusel/Schiffers, § 16 EStG Rz 289 (01.11.2017); nicht ganz eindeutig Schallmoser in Blümich, § 16 EStG Rz 695 (Juli 2019), wonach die Veräußerung durch die Berufsunfähigkeit veranlasst sein muss), schon weil der Normtext diese Verbindung nicht mehr verlangt (vgl § 16 Abs 4 EStG in der bis zum 31.12.1995 geltenden Fassung: "wegen dauernder Berufsunfähigkeit"). Hierauf verzichtet der Gesetzgeber wegen der komplizierten Überprüfbarkeit zu Recht. Es genügt, wenn Alter oder Berufsunfähigkeit (s Rn 2021) im Zeitpunkt der Betriebsveräußerung oder -aufgabe vorliegen (R 16 Abs 14 EStR 2012).
Rn. 2025
Stand: EL 148 – ET: 12/2020
Eine Berufsunfähigkeit allein aus rechtlichen Gründen ist keine dauerhafte Berufsunfähigkeit im sozialversicherungsrechtlichen Sinne und somit auch keine iSd § 16 Abs 4 EStG (Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz 579 (39. Aufl); Jacobsen in Fuhrmann/Kraeusel/Schiffers, § 16 EStG Rz 289 (01.11.2017); anders (zur alten Rechtslage) BFH v 29.04.1982, IV R 116/79, BStBl II 1985, 204). Weder ein Berufsverbot noch eine vertragliche Unterlassungsvereinbarung (Wettbewerbsverbot) berechtigen somit zur Inanspruchnahme des Freibetrags. Ebenso ist die Veräußerung durch den Rechtsnachfolger des verstorbenen Betriebsinhabers kein Fall der dauernden Berufsunfähigkeit, und zwar unabhängig davon, ob der Rechtsnachfolger aus ausbildungstechnischen oder berufsrechtlichen Gründen faktisch oder rechtlich in der Lage ist, den Betrieb fortzuführen. Zur Geltendmachung des Freibetrags durch Rechtsnachfolger s Rn 2030.
Rn. 2026
Stand: EL 148 – ET: 12/2020
Es ist Sache des StPfl, seine dauernde Berufsunfähigkeit darzulegen und nachzuweisen. Zum Nachweis reicht die Vorlage eines Bescheides des Rentenversicherungsträgers aus, wonach die Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfä...