Rn. 440
Stand: EL 156 – ET: 02/2022
Die Zuordnung von WG zum BV (zum Begriff BFH BStBl II 1991, 13) richtet sich bei beiden Gewinnermittlungsarten im Grundsatz nach denselben Kriterien:
- In sachlicher Hinsicht kann nur dasjenige Vermögen, das der Erzielung betrieblicher – freiberuflicher – Einkünfte dient, BV sein (BFH BStBl II 1985, 6 mwN; zur Beteiligung eines Mediziners an einer KapGes BFH BStBl II 2001, 798; BFH/NV 2011, 1147). Dazu gehört, dass die Einbeziehung des WG dem Berufsbild des freien Berufes entspricht; die einkommensteuerrechtlichen Begriffe der BA und des BV können nicht umfassender sein als der durch das jeweilige freiberufliche Berufsbild geprägte einkommensteuerrechtliche Begriff des Betriebes eines freien Berufes (BFH BStBl II 1981, 564; 1981, 618; 1982, 340; 1984, 129; 1985, 517; im Einzelnen s Rn 442). Ein geleastes Fahrzeug kann zum BV des Leasingnehmers gehören, wenn die vereinbarte Grundmietzeit 36 Monate beträgt oder wenn es zu mehr als 50 % betrieblich genutzt wird (BFH BStBl II 2014, 679 mwN, zum Ferrari eines Tierarztes).
- In persönlicher Hinsicht ist § 39 Abs 1 u 2 AO zu beachten (Maßgeblichkeit des bürgerlich-rechtlichen Eigentums bzw des wirtschaftlichen Eigentums; vgl zur Schenkung von GbR-Anteilen BFH BStBl II 1996, 5; zur Bedeutung einer Scheidungsklausel BFH BStBl II 1998, 542).
a) Gewillkürtes BV – Grundsatz
Rn. 441
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Inzwischen hat der BFH die Bildung von gewillkürtem BV auch bei der Einnahme-Überschussrechnung nach § 4 Abs 3 EStG anerkannt. Zunächst hatte der RFH RStBl 1938, 1063 die Bildung von gewillkürtem BV nur bei Vollkaufleuten zugelassen; der BFH hatte auch StPfl mit Gewinnermittlung nach § 4 Abs 1 EStG diese Möglichkeit (mit entsprechenden Gestaltungsmöglichkeiten) eröffnet (BFH BStBl III 1955, 205), jedoch die §-4-Abs-3-Rechner – von Ausnahmen in BFH BStBl III 1965, 455; BStBl II 1993, 393; 1986, 907 abgesehen – weitere 50 Jahre außen vorgehalten (vgl etwa BFH BStBl II 1983, 101; 1990, 17).
Der BFH (BFH BStBl II 2004, 985; BFH/NV 2005, 173) ist Bedenken im Schrifttum (zB Söffing, StbJb 1980/81, 451, 516f; Woerner, StbJb 1989/90, 207, 229f; Jehner, DStR 1991, 1408; Kanzler, FR 1998, 233, 241; Sauren, DStR 1999, 1100, 1102; Drüen, DB 2003, 2351) schließlich gefolgt mit dem Hauptargument aus Art 3 Abs 1 GG. Ein WG, das weder notwendiges PV noch notwendiges BV ist, kann – mit den in s Rn 442 dargestellten Einschränkungen – auch bei §-4-Abs-3-Rechnern gewillkürtes BV sein, wenn es objektiv dazu geeignet und erkennbar bestimmt ist, den Betrieb (und sei es auch nur in geringem Umfang – s Rn 445) zu fördern (BFH BStBl II 2004, 985; BFH/NV 2005, 173; 2009, 916; zustimmend Drüen, FR 2004, 94; Moritz, AktStR 2012, 31; Warnke, EStB 2013, 276). Der Nachweis ist in unmissverständlicher Weise durch entsprechende zeitnah erstellte Aufzeichnungen zu erbringen (im Einzelnen BMF BStBl I 2004, 1064, der der Rspr-Änderung folgt).
Rn. 441a
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Die Behandlung als gewillkürtes BV erfordert insb bei einem gemischt-genutzten WG, dass es zeitnah, spätestens bis zum Ende des Wj, in ein betriebliches Bestandsverzeichnis aufgenommen wird (R 5.4 EStR 2012); ggf genügt eine schriftliche Erklärung gegenüber dem FA (BMF BStBl I 2004, 1064). Das erscheint großzügig; der Buchungsrückstand darf in Betrieben mit wenigen Geschäftsvorfällen einen Monat betragen (BFH BFH/NV 1989, 22).
b) Berufsbildbedingte Einschränkungen
Rn. 442
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Unabhängig von dieser Entwicklung wird bei Angehörigen der freien Berufe auch bei der Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich notwendiges und gewillkürtes BV nur eingeschränkt zugelassen (BFH BStBl II 1998, 152; BFH/NV 2011, 1311). Der Umfang ihres BV wird durch die Besonderheit der Einkunftsart, dh die Erfordernisse ihres Berufes, bestimmt (BFH BStBl II 1981, 564; 1985, 517; 1986, 607; 1989, 17; 1989, 666; 1990, 17; 1991, 13; 1991, 798; BFH/NV 1995, 288; 1993, 465; 1986, 452). Berufsfremde Geschäfte führen danach nicht zu gewillkürtem BV (hierzu s Rn 443, 470ff). Diese Rspr ist verfassungskonform (BVerfG HFR 1989, 215).
Die Standeswidrigkeit eines Geschäfts hindert nicht die Zugehörigkeit des erworbenen und/oder für betriebliche Zwecke eingesetzten WG zum (gewillkürten) BV (vgl BFH BStBl II 1982, 340; 1990, 17).
Rn. 443
Stand: EL 156 – ET: 02/2022
Gewillkürtes BV ist zB bei einem freiberuflich tätigen Ingenieur für ein zum Zwecke der Betriebserweiterung erworbenes Grundstück bejaht worden (BFH BStBl II 1981, 618 im Anschluss an BFH BStBl III 1961, 154 bei der InvZul; BFH HFR 1989, 635 mit Anmerkung oV). Entsprechendes gilt nach der Rspr zum Erwerb eines – noch vermieteten – Grundstücks, dessen Räumung sich aus Gründen des Mietrechtsschutzes verzögerte, durch einen RA, der dorthin seine bisher in gemieteten Räumen ausgeübte Praxis zu verlegen beabsichtigte (BFH BStBl III 1961, 154). Allerdings kann angesichts der unmittelbaren Betriebsbedingtheit des Erwerbs gefragt werden, ob überhaupt der Fall der Willkürung vorliegt. Zur Entwicklung der Rspr zum gewillkürten BV s Winter, Gmb...