Rn. 150
Stand: EL 156 – ET: 02/2022
Der Begriff der ärztlichen Tätigkeit bezeichnet in Anlehnung an § 1 Abs 2 HeilpraktikerG v 17.02.1939, (RGBl I 1939, 251) die Ausübung der Heilkunde, dh jede berufs- oder erwerbsmäßig vorgenommene Tätigkeit zur Prophylaxe, Feststellung (Diagnose), Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden am Menschen. Sie setzt nach allg Auffassung ärztliche Kenntnisse voraus, sei es im Hinblick auf das Ziel, die Art oder die Methode der Tätigkeit, sei es für die Feststellung, ob im Einzelfall eine Behandlung begonnen werden darf (BFH BStBl II 1977, 879 im Anschluss an BVerwGE 35, 308; zur tierärztlichen Tätigkeit BFH BStBl II 1979, 574).
Ärzte (BÄrzteO idF v 16.04.1987, BGBl I 1987, 1218), Zahnärzte (ZahnheilkundeG v 31.03.1952, BGBl I 1952, 221 idF v 16.04.1987, BGBl I 1987, 1225), Tierärzte (BundestierärzteO v 17.05.1965, BGBl I 1965, 416, idF v 20.11.1981, BGBl I 1981, 1193) bedürfen zur Ausübung der Heilkunde der Approbation, die nach der ebenfalls gesetzlich geregelten Ausbildung erteilt wird.
Rn. 151
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Zur Berufsgruppe der Ärzte iSd Vorschrift gehören nicht nur die praktizierenden Ärzte, die sich in ihrer praktischen Berufsarbeit vorwiegend der Heilbehandlung widmen, sondern auch die Ärzte, die, ohne eine Heilbehandlung durchzuführen, als praktische Berufsarbeit für Gerichte und Versicherungsanstalten laufend ärztliche Gutachten oder Atteste über den Gesundheitszustand der von ihnen untersuchten Personen in Rentenfeststellungsverfahren uä Verfahren erstellen (vgl BFH BStBl II 1977, 31; 1982, 118; 1982, 253; 2000, 554; 2007, 412; s Rn 49f).
Die begründete Attestierung des Gesundheitszustands ist eine typisch praktische Berufstätigkeit des Arztes (vgl BFH BFH/NV 1986, 468 zum forensischen Gutachter in der Psychopathologie). Das gilt auch für die Erstellung erbbiologischer Gutachten, zB zur Vaterschaftsfeststellung (BFH BStBl II 1985, 293: begleitende ärztliche Tätigkeit) und einen Arzt für Laboratoriumsmedizin (BFH BStBl II 1976, 155; 1988, 17; 1990, 507 mwN). Entscheidend ist, dass sich die Tätigkeit objektiv als solche eines Arztes darstellt, mithin nicht nur auf einer wissenschaftlichen Ausbildung beruht, sondern wenigstens im weitesten Sinne durch die oben angegebenen praktischen Tätigkeiten, hier: der Feststellung (Diagnose) von Erkrankungen, gekennzeichnet ist.
Hiernach ist auch die Tätigkeit eines gerichtlichen Sachverständigen für Blutgruppengutachten dem medizinischen Fachgebiet des Serologen und damit der Berufstätigkeit zuzuordnen (BFH BStBl III 1962, 414; BStBl II 1985, 293; 1985, 655; BFH/NV 1987, 367, zumindest einem Laborarzt ähnlich).
Rn. 152
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Keine ärztliche Tätigkeit ist hingegen die Erstellung von Gutachten, die auch im weitesten Sinne nicht der Therapie dienen. So betreibt ein Arzt, der ausschließlich biologische Grundlagenforschung betreibt, keine ärztliche oder arztähnliche Tätigkeit (FG BdW BB 1976, 634; FG Nds EFG 1982, 323 rkr). Entsprechendes gilt für Gutachten zur Erwerbsminderung oder der Alkoholbelastung (BFH BStBl II 2008, 35; BMF BStBl I 2009, 756). Insoweit dürfte aber wissenschaftliche Tätigkeit in Betracht kommen.
Ebenfalls nicht Heilbehandlung ist die nicht therapeutischen Zwecken dienende Schönheitsoperation (zur USt s BFH BStBl II 2004, 862), das "Bleaching" und jede Form der rein ästhetischen, nicht rekonstruktiven Medizin und der sog "Lifestyle-Medizin", zB "Anti-Aging" (hierzu Neugebauer, DB 2015, 2041).
Die psychotherapeutische Tätigkeit eines Arztes/einer Ärztin fällt unter § 18 EStG (BFH BStBl II 1982, 254).
Rn. 153
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Nach der Rspr gehören zum typischen Aufgabenbereich eines Arztes auch Untersuchungen über die Verträglichkeit von Medikamenten und ihre Überprüfung auf mögliche Nebenwirkungen. Dies gilt ebenso für Untersuchungen im Rahmen einer Medikamentenerprobung an Probanden. Auch dabei gehe es um die Feststellung des Gesundheitszustandes und eine anschließende weitere Beobachtung. Die zusammenfassende Feststellung der Untersuchungsergebnisse für ein Auftrag gebendes pharmazeutisches Unternehmen ändere an dieser Beurteilung nichts. Es handele sich insoweit nicht um eine eigenständige neue Tätigkeit; die Medikamentenerprobung gehöre heute zum Berufsbild des Arztes (vgl BFH BStBl II 1982, 118, bestätigt durch BFH BFH/NV 1986, 274). Das gilt nach der Rspr jedenfalls dann, wenn die Tätigkeit des Arztes nicht auf das Beobachten und Registrieren der Verträglichkeit und der möglichen Nebenwirkungen sowie das Ausfüllen entsprechender Testbögen beschränkt ist (FG Bre EFG 1977, 18 rkr).
Diesen Entscheidungen liegt ein merkwürdiges Berufsbild des Arztes zugrunde; ihnen ist mE nicht zu folgen: Zu unterscheiden ist mE
- zwischen der Tätigkeit des Arztes am Patienten, die – trotz der Medikamentenerprobung hoffentlich – auf einen Heilerfolg ausgerichtet ist, und
- der Arbeit für das pharmazeutische Unternehmen (sowie dem Honorar dafür).
Die Erstere mag noch ärztliche Täti...