Rn. 240
Stand: EL 156 – ET: 02/2022
Auf die Tatbestandsmerkmale der leitenden und eigenverantwortlichen und auf die eigenen Fachkenntnisse gestützten Tätigkeit kommt es nur an, wenn sich der Freiberufler der Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte bedient, nicht hingegen dann, wenn er Arbeitskräfte ohne fachliche Vorbildung mit Aufgaben beschäftigt, die ihren Kenntnissen entsprechen und von untergeordneter Bedeutung sind (vgl § 18 Abs 1 Nr 1 S 3 EStG; BFH BStBl II 1988, 782; 1995, 732; 1995, 776).
Mithilfe idS liegt nicht nur dann vor, wenn die fachlich vorgebildeten Hilfskräfte dieselbe berufliche Fachbildung haben wie der Berufsträger und Arbeiten ausführen, die der des Berufsträgers entsprechen (BFH BStBl II 1995, 732; 1997, 681; 2002, 478). Es genügt, dass die Tätigkeit des Mitarbeiters die "eigentliche" Tätigkeit des Berufsträgers (BFH BStBl III 1958, 34) in Teilbereichen ersetzt und nicht von untergeordneter Bedeutung ist (BFH BStBl II 2004, 509; 2016, 381; BFH/NV 2007, 1319; Kempermann, FR 1996, 514); hiervon abweichend und bei einem Zytologielabor offenbar selbst bei angestellten Ärzten nur zu untergeordneten Hilfeleistungen neigend BFH BStBl II 1988, 782 (zustimmend Kupfer, KÖSDI 1990, 8066).
Rn. 240a
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Fachlich vorgebildeter Mitarbeiter iSd Vorschrift sind in erster Linie ArbN des Freiberuflers (vgl BFH BStBl II 1990, 507; 1995, 732; 1995, 776; 1997, 681; BFH/NV 2000, 837), aber auch Subunternehmer bzw freie Mitarbeiter, die in die Abwicklung der Aufträge des Freiberuflers eingebunden sind (BFH BStBl II 2002, 478; 2016, 381; BFH/NV 2007, 1319).
Nicht hierzu gehören sonstige (Außen-)Beauftragte für eigene Rechnung (ohne "kick-back") sowie gleichberechtigte Kooperationen, wie zB eine interprofessionelle GbR (ebenso Wacker in Schmidt, § 18 EStG Rz 24).
Rn. 241
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Die leitende und eigenverantwortliche Tätigkeit musste sich nach der früheren Rspr dem Wortlaut ("...tätig wird...") und Zielsetzung der Vorschrift entsprechend (s Rn 238) auf die Gesamttätigkeit erstrecken (BFH BStBl II 1976, 155; BFH/NV 1996, 464). Es genügte nicht, wenn der Berufsträger seine leitende und eigenverantwortliche Tätigkeit auf einen Teil der Gesamttätigkeit beschränkt, im Übrigen diese Leitung und Eigenverantwortlichkeit einem Dritten überträgt oder tatsächlich nicht bewältigen kann. Überlässt etwa der Inhaber einer Fahrschule die praktische Ausbildung einem Fahrlehrer, während er nur die theoretische Ausbildung übernimmt, ist die Fahrschule Gewerbebetrieb (BFH BStBl III 1966, 685). Die Ausführung jedes Auftrags musste dem Berufsträger zuzurechnen sein (BFH BStBl II 1989, 727; 1995, 732; 1997, 567; 2002, 478). Der Berufsträger kann weder die Leitung noch die Eigenverantwortlichkeit durch einen Geschäftsführer und Vertreter – abgesehen von vorübergehenden Verhinderungen – ausüben lassen noch sonst eine Volldelegation von Aufgaben auf Angestellte vornehmen (Hamminger NWB 2019, 3704; Apitz EStB 2019, 498). Eine abweichende Wertung hat der BFH bisher lediglich für örtlich abgegrenzte Bereiche zugelassen (s Rn 242).
Fehlt es im Übrigen an der persönlichen Leitung und eigenverantwortlichen Tätigkeit nur in geringfügigem Umfang und in einer Weise, die nicht darauf schließen lässt, dass dieser Mangel sozusagen planmäßig ist, so dürfte dies unschädlich sein. Der BFH lässt allenfalls Ausnahmen bzw die Delegierung von Routinefällen zu (vgl BFH BStBl II 1989, 727; BFH/NV 2006, 55). In der Praxis allerdings dürften sich hierzu angesichts der großzügigen Handhabung des Begriffs der "Eigenverantwortlichkeit" durch Rspr und Verw ohnehin kaum greifbare Feststellungen treffen lassen.
Rn. 241a
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Hierzu ist eine Änderung der Rspr zu verzeichnen: allein die Durchführung des jeweiligen Auftrags sei entscheidend, nicht auf die Gesamttätigkeit komme es an (BFH BStBl II 2009, 143 zu einem Ingenieur, der einen Großteil der Aufträge einem angestellten Ingenieur zur verantwortlichen Bearbeitung überließ). Nach dem Urt ist also ggf eine getrennte Beurteilung (s Rn 255ff) der jeweiligen Auftragsbearbeitung anzustellen (ähnlich zu einer GbR von Prüfingenieuren BFH BStBl II 2019, 580). Es ist daher denkbar, dass wegen mangelnder Eigenverantwortlichkeit nur Teile des Unternehmens als freiberuflich, die übrigen Teile jedoch als gewerblich einzustufen sind (so FG Ha v 10.09.2013, 3 K 80/13).
Stellungnahme: Diese Rspr ist mE bedenklich (ebenso Wacker in Schmidt, § 18 EStG Rz 50). Es geht nicht nur an Sinn und Zweck des § 18 EStG, sondern auch an der bisherige Rspr vorbei, mit der es sich im Wesentlichen nicht auseinandersetzt. So hat etwa BFH BStBl II 1982, 22 (für die künstlerische Tätigkeit des Trauerredners) auf die Gesamttätigkeit während des VZ abgestellt. Konsequenz der neueren Entscheidung muss mE sein, dass in allen Fällen, in denen es an der Eigenverantwortlichkeit nur teilweise fehlt, und sei es bei der Laboratoriumsmedizin (s Rn 249f) eine getrennte Beurteilung zu erfolgen hat. Ein...