Prof. Dr. iur. Claus Möllenbeck
Rn. 577
Stand: EL 146 – ET: 10/2020
Der Besteuerung nach § 20 Abs 1 Nr 6 EStG unterliegen die Erträge aus folgenden Versicherungen auf den Erlebens- oder Todesfall (kapitalbildende Lebensversicherungen): Rentenversicherungen mit Kapitalwahlrecht, soweit nicht die Rentenzahlung gewählt wird und Kapitalversicherungen mit Sparanteil. Erträge aus Unfallversicherungen mit garantierter Beitragsrückzahlung unterliegen ebenfalls der Besteuerung nach § 20 Abs 1 Nr 6 EStG.
Charakteristisch für eine Versicherung iSd § 20 Abs 1 Nr 6 EStG ist – im Unterscheid zu einer Vermögensanlage ohne Versicherungscharakter –, dass ein wirtschaftliches Risiko abgedeckt wird, das aus der Unsicherheit und Unberechenbarkeit des menschlichen Lebens für den Lebensplan des Menschen erwächst (biometrisches Risiko). Die durch die Lebensversicherung typischerweise abgedeckten Gefahren sind Tod (Todesfallrisiko) oder die ungewisse Lebensdauer (Erlebensfallrisiko, Langlebigkeitsrisiko). Bei der Unfallversicherung mit garantierter Beitragsrückzahlung stellen das Unfallrisiko oder das Risiko der Beitragsrückzahlung im Todesfall die mit der Versicherung untrennbar verbundenen charakteristischen Hauptrisiken dar.
Dagegen liegt kein Versicherungsvertrag iSd § 20 Abs 1 Nr 6 EStG vor, wenn der Vertrag keine nennenswerte Risikotragung enthält. Davon ist insb dann auszugehen, wenn bei Risikoeintritt nur eine Leistung der angesammelten und verzinsten Sparanteile zuzüglich der Überschussbeteiligung vereinbart ist. IdR ist vom Vorliegen eines Versicherungsvertrages iSd § 20 Abs 1 Nr 6 EStG auszugehen, wenn es sich um eine Lebensversicherung oder Unfallversicherung mit garantierter Beitragsrückzahlung iSd Versicherungsaufsichtsrechts handelt.
Keine Versicherungsverträge iSd § 20 Abs 1 Nr 6 EStG sind Kapitalisierungsgeschäfte. Als Kapitalisierungsgeschäfte gelten Geschäfte, bei denen unter Anwendung eines mathematischen Verfahrens die im Voraus festgesetzten einmaligen oder wiederkehren Prämien und die übernommenen Verpflichtungen nach Dauer und Höhe festgelegt sind (s § 1 Abs 4 S 2 VersicherungsaufsichtsG). Die Besteuerung derartiger KapErtr erfolgt nach § 20 Abs 1 Nr 7 EStG.
Zu den nach § 20 Abs 1 Nr 6 EStG stpfl Renten- oder Kapitalversicherungen zählen nur solche, die einen Sparanteil enthalten. Bei solchen Versicherungen setzt sich der Versicherungsbeitrag grundsätzlich zusammen aus dem
- Kostenanteil (Beitragsteil insb für Verwaltungsaufgaben des Unternehmens, Abschlusskosten, Inkassokosten), dem
- Risikoanteil (Beitragsanteil für Leistungen bei Eintritt eines charakteristischen Hauptrisikos: Tod bei Lebensversicherungen, Unfall oder Beitragsrückzahlung im Todesfall bei Unfallversicherungen mit garantierter Betragsrückzahlung) und dem
- Sparanteil (Beitragsanteil, der für die Finanzierung einer Erlebensfall-Leistung verwendet wird).
Eine Leistung aus einer reinen Risikoversicherung, also einer Versicherung ohne Sparanteil (zB
Risikolebensversicherung, Unfallversicherung ohne garantierte Beitragsrückzahlung, Berufsunfähigkeitsversicherung, Erwerbsunfähigkeitsversicherung, Pflegeversicherung), fällt nicht unter § 20 Abs 1 Nr 6 EStG. Dies gilt sowohl für Kapitalauszahlungen aus reinen Risikoversicherungen als auch für Rentenzahlungen (zB Unfallrente, Invaliditätsrente). Bei einer Rentenzahlung kann sich jedoch eine Besteuerung aus anderen Vorschriften (insb § 22 Nr 1 S 3 Buchst a Doppelbuchst bb EStG) ergeben. Die Barauszahlung von Überschüssen sowie die Leistung aufgrund einer verzinslichen Ansammlung von Überschüssen ist bei einer reinen Risikoversicherung keine Einnahme iSd § 20 Abs 1 Nr 6 EStG und auch nicht iSd § 20 Abs 1 Nr 7 EStG (BMF v. 01.10.2009, BStBl I 2009, 1172 Rz 1–7).
Bei einem entgeltlichen Erwerb des Anspruchs auf Versicherungsleistung ist § 20 Abs 1 Nr 6 S 3 EStG (s Rn 582) zu beachten.