Rn. 39
Stand: EL 171 – ET: 02/2024
Gemäß BVerfG vom 09.03.2004, BStBl II 2005, 56 ist die Besteuerung von privaten Veräußerungsgeschäften mit Wertpapieren wegen eines strukturellen Vollzugsdefizits in den Jahren 1997 und 1998 verfassungswidrig (vgl auch BFH vom 25.08.2009, DStR 2009, 2295; BFH vom 12.05.2009, BStBl II 2009, 891 und zu Verlusten BFH vom 14.07.2004, BStBl II 2005, 125; BFH vom 29.09.2008, BFH/NV 2009, 6 und BFH vom 17.12.2008, BFH/NV 2008, 577; BVerfG vom 07.05.2006, 2 BvR 1935/04, StE 2006, 324).
Eine Übertragung der Entscheidung auf Veräußerungsgeschäfte mit anderen WG als Wertpapieren ist aber nicht möglich (vgl FG Ha vom 19.02.2008, EFG 2009, 34 und FG Ha vom 06.11.2008, 5 K 137/07 und FG D'dorf vom 18.11.2008, 13 K 2614/05 E). Dagegen ist davon auszugehen, dass bis einschließlich VZ 1996 keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Norm bestehen (vgl BFH vom 01.06.2004, BStBl II 2005, 26; BVerfG vom 18.04.2006, 2 BvL 12/05, StE 2006, 386 und BVerfG vom 18.04.2006, 2 BvL 8/05, StE 2006, 500).
Rn. 40
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Für VZ ab 1999 hat der BFH vom 29.11.2005, BStBl II 2006, 178 entschieden, dass die Vorschrift des § 23 Abs 1 Nr 2 EStG aF mit dem Grundgesetz vereinbar ist (im Anschluss ebenso BFH vom 19.12.2007, BStBl II 2008, 382; BFH vom 23.05.2008, BFH/NV 2008, 1477). Er sieht das normative Defizit bei den Erhebungsregelungen mit der Einführung des Kontenabrufverfahrens gemäß § 93 Abs 7 iVm § 93b Abs 1 AO als nicht mehr gegeben an. Zwar gelte das Kontenabrufverfahren erst seit dem 01.04.2005; es betreffe aber auch Sachverhalte der Vergangenheit. So enthielten die von den Kreditinstituten nach § 24c KWG errichteten Dateien auch 1999 oder vorher errichtete Depots.
Mit Einführung der AbgSt durch das UntStRefG 2008 mit Wirkung ab dem 01.01.2009 und der generellen Besteuerung von Veräußerungserlösen aus Wertpapieren dürften die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 23 EStG endgültig ausgeräumt sein (BFH vom 23.05.2008, BFH/NV 2008, 1477; BFH vom 19.12.2007, BStBl II 2008, 382).
Rn. 41
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In der Beschränkung der Verlustverrechnung bei Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften gemäß § 23 Abs 3 S 8 und 9 EStG (nunmehr S 7 und 8) sieht der BFH (BFH vom 12.07.2016, BFH/NV 2016, 1691; BFH vom 28.05.2015, BFH/NV 2015, 1243; BFH vom 18.10.2006, BStBl II 2007, 259) keinen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz. Aufgrund der Tatsache, dass Ergebnisse aus privaten Veräußerungsgeschäften nur bei Veräußerung innerhalb bestimmter Fristen erfasst werden, hat es der StPfl selbst in der Hand, dass Verluste steuerlich berücksichtigt, Gewinne dagegen nach Ablauf der relevanten Haltefrist und damit steuerfrei realisiert werden. Dies rechtfertigt die Einschränkung der Verlustverrechnung.
Da zudem die entsprechenden Verluste nicht vollständig unberücksichtigt bleiben, sondern mit zukünftigen Gewinnen aus privaten Veräußerungsgeschäften verrechnet werden können, ergibt sich zudem kein Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip.
Ebenso wird die Übergangsregelung des § 52a Abs 11 S 11 EStG aF, wonach § 23 Abs 3 S 9 und 10 EStG letztmals für den VZ 2013 anzuwenden sind und nicht genutzte Aktienverluste damit nur noch mit Gewinnen aus privaten Veräußerungsgeschäften verrechnet werden können, vom BFH nicht als verfassungswidrig eingestuft (BFH vom 06.12.2016, BStBl II 2017, 313; aA Hey, FR 2014, 349; vgl hierzu auch Lohse, DStR 2017, 641).
Rn. 42
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Durch das StEntlG 1999/2000/2002 (BGBl I 1999, 402) wurden die Behaltefristen des § 23 Abs 1 Nr 1 EStG (Immobilien ua) von zwei auf zehn Jahre und diejenigen des § 23 Abs 1 Nr 2 EStG (Wertpapiere ua) von sechs Monaten auf ein Jahr verlängert. Diese Verlängerungen traten mit Wirkung ab dem 01.01.1999 in Kraft und erfassten auch WG, die bereits vor der Gesetzesverkündung (31.03.1999) veräußert wurden oder bei denen zu diesem Zeitpunkt die vormaligen, kürzeren Behaltefristen bereits abgelaufen waren. Diesen Umstand bewertet das BVerfG in seinem Beschluss vom 07.07.2010 (BVerfG BStBl II 2011, 76) als verfassungswidrigen Eingriff in die Vermögensposition der davon betroffenen StPfl.
Die Verlängerung der Behaltefristen des § 23 Abs 1 Nr 1 EStG (Immobilien ua) ist damit nichtig, soweit Wertsteigerungen steuerlich erfasst werden, die bis zur Verkündung des Gesetzes am 31.03.1999 entstanden sind und nach der zuvor geltenden Rechtslage bis zum 31.03.1999 steuerfrei realisiert worden sind oder steuerfrei hätten realisiert werden können. Zwar hat das BVerfG lediglich für § 23 Abs 1 Nr 1 EStG entschieden. Für die verlängerte Behaltefrist des § 23 Abs 1 Nr 2 EStG (Wertpapiere ua) kann aber letztendlich nichts anderes gelten, so dass auch insoweit eine – teilweise – verfassungswidrige Rückwirkung vorliegt (vgl FG Köln vom 23.01.2013, EFG 2013, 781 rkr).
Rn. 43
Stand: EL 171 – ET: 02/2024
Veräußerungen nach dem 31.12.1998 und vor dem 01.04.1999 waren damit nur dann stpfl, wenn im Veräußerungszeitpunkt die (alte) Behaltefrist von zwei Ja...