Rn. 62
Stand: EL 137 – ET: 08/2019
Das G sieht für die Ausübung des Veranlagungswahlrechts keine Frist vor und enthält zudem keine Vorschrift über eine Bindung an die einmal getroffene Wahl. Eine Bindung tritt insb nicht zwischen den Eheleuten ein, denn die privaten Beziehungen der Ehepartner zueinander sollen gerade keinen Einfluss auf die Veranlagungsart haben, BFH BStBl II 1982, 152. Die Ehegatten können sich daher – auch einseitig – von der einmal getroffenen Wahl wieder lösen, es sei denn, dies verbietet sich nach den Grundsätzen von Treu und Glauben, wenn zB der Antragsteller keine eigenen positiven oder negativen Einkünfte hat oder diese so gering sind, dass sie weder einem Steuerabzug unterlegen haben noch zu einer ESt-Veranlagung führen können, vgl BFH BStBl II 2004, 980 mwN.
Rechtsmissbrauch liegt auch dann vor, wenn durch die wiederholte widersprüchliche Ausübung des Wahlrechts die Durchsetzung der festgesetzten Steuer (zeitweilig) verhindert werden soll, vgl BFH BFH/NV 2005, 186. Ein Verstoß gegen Treu und Glauben liegt nicht vor, wenn der Ehegatte (mit eigenen Einkünften) im Einspruchsverfahren getrennte Veranlagung beantragt, obwohl er sich im Scheidungsverfahren mit der Zusammenveranlagung einverstanden erklärte, BFH BFH/NV 2000, 842.
Rn. 63
Stand: EL 137 – ET: 08/2019
Der BFH geht in st Rspr davon aus, dass die Ehegatten ihr Veranlagungswahlrecht bis zur Unanfechtbarkeit sogar eines Berichtigungs- o Änderungsbescheides ausüben und bis zu diesem Zeitpunkt die einmal getroffene Wahl – vorbehaltlich eines rechtsmissbräuchlichen oder willkürlichen Verhaltens – frei widerrufen können, vgl BFH BFH/NV 1999, 1333 mwN. Die Anfechtungsbeschränkung des § 351 Abs 1 AO sowie sonstige Korrekturbeschränkungen, wie zB § 177 AO, gelten insoweit nicht, vgl BFH BFH/NV 1999, 160; 1999, 1333. Auch eine Fristsetzung nach § 364b AO ist unbeachtlich, BFH v 24.01.2002, BStBl II 2002, 408.
Wird der Änderungsbescheid nachträglich aber wieder aufgehoben, verliert auch das geänderte Ehegattenwahlrecht seine Wirksamkeit, vgl BFH BStBl II 1992, 123; Seeger in Schmidt, § 26 EStG Rz 23, 37. Aufl.
Rn. 63a
Stand: EL 137 – ET: 08/2019
Nach dem Inkrafttreten des EheöffnungsG (s Rn 31b) ist die Frage offen, ob die rückwirkende Umwandlung der Lebenspartnerschaft in eine Ehe eine rückwirkende Zusammenveranlagungsmöglichkeit für bestandskräftige und festsetzungsverjährte Zeiträume ermöglicht bzw ob die rückwirkende Umwandlung als rückwirkendes Ereignis iSd § 175 Abs 1 S 1 Nr 2 AO berücksichtigt werden kann.
Nach Auffassung des FG Ha (FG Ha v 31.07.2018, 1 K 92/18, BeckRS 2018, 18 866, Rev BFH III R 57/18) liegt bei der Umwandlung einer Lebenspartnerschaft in eine Ehe gemäß § 20a LPartG ein rückwirkendes Ereignis nach § 175 Abs 1 Nr 2 AO vor. In Bezug auf die Rückwirkung beruft sich FG Ha auf Art 3 Abs 2 EheöffnungsG.
Die ehemaligen Lebenspartner bzw neuen Ehegatten nach Umwandlung iSd § 20a LPartG haben nunmehr die Möglichkeit zur Änderung des Veranlagungswahlrechts für VZ ab der Eintragung der Lebenspartnerschaft und vor der Einführung des § 2 Abs 8 EStG (Gesetz v 15.07.2013, BGBl I 2013, 2397, in Kraft getreten am 19.07.2013; hierzu ausführlich s § 2 Rn 369 (Handzik)) trotzt Vorliegen eines bestandskräftigen ESt-Bescheids. Für diese VZ kann rückwirkend gemäß § 175 Abs 1 Nr 2 AO die Zusammenveranlagung beantragt werden.
Für nach dem 19.07.2013 bekanntgegebene ESt-Bescheide scheidet eine (nachträgliche) Zusammenveranlagung regelmäßig aus (s Bergan, NWB 2018, 3179).
Rn. 64
Stand: EL 137 – ET: 08/2019
Wird ein bestandskräftiger ESt-Bescheid durch Verlustrücktrag nach § 10d EStG geändert, kann das Veranlagungswahlrecht ebenfalls, s Rn 63, bis zur Unanfechtbarkeit dieses Änderungsbescheides uneingeschränkt ausgeübt werden. Die früher vom BFH vertretene Auffassung (vgl BFH BStBl II 1989, 229), dass der Widerruf der ursprünglich getroffenen Wahl durch den Änderungsrahmen des § 10d Abs 1 S 5 EStG eingeschränkt wird, wurde durch Urt v 19.05.1999 ausdrücklich aufgegeben, vgl BFH BStBl II 1999, 762.
Die FinVerw folgt dieser Rechtsauffassung, H 26 EStH 2012. Die Durchbrechung der Bestandskraft iSd § 10d EStG weist gegenüber den Änderungsvorschriften der AO keine Besonderheiten auf, vgl auch Lohse/Mädle, DStR 2000, 851 mwN.
Rn. 65
Stand: EL 137 – ET: 08/2019
Die Erklärung zur Ausübung des Veranlagungswahlrechts kann noch in der letzten Tatsacheninstanz, also auch im Rechtsbehelfs- o Klageverfahren vor dem FG bis zum Abschluss der mündlichen Verhandlung abgegeben oder geändert werden (vgl BFH BStBl II 2004, 980; 2002, 408), nicht mehr hingegen im Revisionsverfahren vor dem BFH. Dieser ist an die tatsächlichen Feststellungen des FG, zu denen nach BFH BStBl III 1957, 227 auch Anträge des sachlichen Steuerrechts rechnen, gebunden, § 118 Abs 2 FGO.
Wird der Antrag auf Änderung der Veranlagungsart erstmalig im finanzgerichtlichen Verfahren gestellt, so kann das Gericht darüber nur entscheiden, wenn ein ablehnendes Vorverfahren (dh Einspruchsverfahren) durchgeführt ...