Rn. 132
Stand: EL 164 – ET: 04/2023
Die Steuer auf die außerordentlichen Einkünfte berechnet sich nach § 34 Abs 1 S 2 EStG in sechs Schritten:
(1) |
Zunächst sind die außerordentlichen Einkünfte in Höhe des zuvor bestimmten Umfangs, s Rn 121–129, vom gesamten zvE abzuziehen. Das Ergebnis ist das verbleibende zvE. |
(2) |
Auf das verbleibende zvE wird die ESt nach dem Regeltarif des § 32a EStG ermittelt. |
(3) |
Anschließend wird das verbleibende zvE um ein Fünftel der außerordentlichen Einkünfte erhöht und darauf die ESt ebenfalls nach dem Regeltarif berechnet. |
(4) |
Es wird der Unterschiedsbetrag aus den beiden ESt-Beträgen ermittelt. |
(5) |
Der Unterschiedsbetrag wird mit dem Faktor 5 multipliziert. |
(6) |
Ermittlung der tariflichen ESt als Summe der Schritte (2) und (5). |
Der Gesetzgeber unterstellt mit dieser Berechnungsmethode typisierend, dass
- die begünstigten außerordentlichen Einkünfte gleichmäßig in fünf Jahren zugeflossen sind, wobei
- als nicht begünstigte lfd Einkünfte in den fünf Jahren vereinfacht diejenigen unterstellt werden, die im Zuflussjahr der außerordentlichen Einkünfte (also im 5. Jahr) erzielt wurden, vgl Henning/Hundsdoerfer/Schult, DStR 1999, 131.
Zu einem Berechnungsbeispiel bei positivem verbleibenden zvE vgl H 34.2 EStH 2021 "Bsp 1".
Rn. 133
Stand: EL 164 – ET: 04/2023
Diese Durchschnittsbetrachtung ist verantwortlich dafür, dass die lfd nicht begünstigten Einkünfte einer maximalen Grenzsteuerbelastung in Höhe des fünffachen des Spitzensteuersatzes (in VZ 2022: 225 %) unterliegen können. Diese maximale Belastung wird erreicht, wenn die Summe aus dem verbleibenden zvE und einem Fünftel der außerordentlichen Einkünfte im Proportionalbereich der ESt liegt (in VZ 2022: EUR 277 826 für Ledige) und das verbleibende zvE kleiner ist als der Grundfreibetrag (in VZ 2015: EUR 8 472; in VZ 2016: EUR 8 652; in VZ 2017: EUR 8 820; in VZ 2018: EUR 9 000; in VZ 2019: EUR 9 168; in VZ 2022: EUR 9 984), vgl Henning/Hundsdorefer/Schult, DStR 1999, 131.
Zur Verdeutlichung: Bei Grenzsteuersätzen von über 100 % werden zusätzliche lfd Einkünfte durch die dadurch ausgelöste Steuermehrbelastung aufgezehrt.
Zur Verfassungsmäßigkeit s Rn 35.
Rn. 134
Stand: EL 164 – ET: 04/2023
Progressionsvorbehalt
Stand: EL 164 – ET: 04/2023
Bezieht der StPfl neben begünstigten Einkünften zusätzlich dem Progressionsvorbehalt unterliegende steuerfreie Einkünfte iSd § 32b EStG, ist dieser Fall – im Gegensatz zu § 34 Abs 3 EStG – bei der Steuerberechnung nach § 34 Abs 1 EStG gesetzlich nicht geregelt.
Sowohl das Schrifttum (vgl Wacker in Schmidt, § 34 EStG Rz 56 (41. Aufl); Sieker in K/S/M, § 34 EStG Rz D 22ff (November 2016); Horn in H/H/R, § 34 EStG Rz 28, August 2019) als auch die nunmehr st Rspr (vgl BFH v 17.02.2003, BFH/NV 2003, 772; BFH v 15.11.2007, BStBl II 2008, 375; BFH v 17.01.2008, BStBl II 2011, 21; BFH v 01.04.2009, BFH/NV 2009, 1787; BFH v 22.09.2009, BStBl II 2010, 1032; BFH v 11.12.2012, BStBl II 2013, 370) gehen mE zutreffend davon aus, dass die dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünfte bei der Steuerermittlung nach § 34 Abs 1 EStG zu berücksichtigen sind. Strittig ist allerdings, wie diese Einbeziehung zu erfolgen hat.
Nach Ansicht der Rspr (vgl zB BFH v 17.01.2008, aaO) soll dies durch eine integrierte Steuerberechnung dergestalt vorgenommen werden, dass die Progressionseinkünfte in voller Höhe sowohl bei der Steuersatzermittlung für das verbleibende zvE als auch bei der Steuersatzermittlung für das verbleibende zvE zuzüglich eines Fünftels der außerordentlichen Einkünfte einbezogen werden (zust Jachmann, DB 2010, 86).
Auch die FinVerw bezieht die Progressionseinkünfte in die Berechnung ein, vgl R 34.2 Abs 1 S 3 EStR 2012 und hat die integrierte Steuerberechnung übernommen, vgl H 34.2 EStH 2021 "Bsp 3 und 4".
Beispiel 1 (integrierte Steuerberechnung):
Der StPfl erzielt in 2022 Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit iHv EUR 40 000, erhielt eine begünstigte Entschädigung iHv EUR 200 000 und bezog zudem Arbeitslosengeld iHv EUR 20 000.
(Das Bsp wurde von Siegel/Diller, DStR 2008, 187 Fall 1 entnommen, allerdings unter Anwendung des Grundtarifs für 2022)
zvE |
EUR |
240 000 |
|
|
abzgl Entschädigung |
EUR |
200 000 |
|
|
verbleibendes zvE |
EUR |
40 000 |
|
|
zzgl Arbeitslosengeld |
EUR |
20 000 |
|
|
maßgebendes zvE für § 32b EStG |
EUR |
60 000 |
|
|
ESt nach Grundtarif |
EUR |
15 863 |
|
|
durchschnittlicher Steuersatz |
% |
26,44 |
|
|
ESt auf verbleibendes zvE |
EUR |
10 576 |
EUR |
10 576 |
|
|
|
|
|
verbleibendes zvE |
EUR |
40 000 |
|
|
zzgl 1/5 der Entschädigung |
EUR |
40 000 |
|
|
zzgl Arbeitslosengeld |
EUR |
20 000 |
|
|
maßgebendes zvE für § 32b EStG |
|
100 000 |
|
|
ESt nach Grundtarif |
EUR |
32 663 |
|
|
durchschnittlicher Steuersatz |
% |
32,66 |
|
|
ESt auf 80 000 (ohne Arbeitslosengeld) |
EUR |
26 128 |
|
|
abzgl ESt auf verbleibendes zvE |
EUR |
10 576 |
|
|
Unterschiedsbetrag |
EUR |
15 552 |
|
|
multipliziert mit Faktor 5 |
|
|
EUR |
77 760 |
tarifliche ESt |
|
|
EUR |
88 336 |
Gegen die oben dargestellte integrierte Steuerberechnung werden in der Literatur erhebliche Bedenken geäußert, weil sich in bestimmten Einkom...