Prof. Dr. Simone Briesemeister-Dinkelbach, Prof. Dr. Wolf-Dieter Hoffmann
Rn. 189b
Stand: EL 142 – ET: 04/2020
Der Übergang wirtschaftlichen Eigentums an beweglichen WG erfordert grds den Übergang von Besitz und Gefahr als Positivelemente sowie Nutzungen und Lasten als Negativelemente tatsächlicher Sachherrschaft (zB BFH v 02.09.1988, III R 53/84, BStBl II 1988, 1009 zur Anschaffung beweglicher WG in Montagefällen; zu Windkraftanlagen BFH v 01.02.2012, I R 57/10, BStBl II 2012, 407; BFH v 22.09.2016, IV R 1/14, BStBl II 2017, 171). Die Rspr überträgt insoweit die für unbewegliche WG heranzuziehenden Kriterien (s Rn 170) auch auf bewegliche WG. Liegen die Merkmale – Besitz, Gefahr, Nutzungen und Lasten – am Bilanzstichtag nicht kumulativ bei einer der beteiligten Parteien vor, ist eine wertende Beurteilung anhand der Verteilung der mit dem WG verbundenen Risiken und Chancen (BFH v 01.02.2012, I R 57/10, BStBl II 2012, 407) bzw anhand des Übergangs der das WG kennzeichnenden wesentlichen Substanz (BFH v 22.09.2016, IV R 1/14, BStBl II 2017, 171) vorzunehmen.
Rn. 189c
Stand: EL 142 – ET: 04/2020
Abweichungsszenarien: Zivilrechtliches und wirtschaftliches Eigentum an beweglichen WG fallen nicht selten auseinander. Der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums an beweglichen WG kann dem zivilrechtlichen Eigentumserwerb vorausgehen (wirtschaftlicher Eigentumsübergang ohne parallelen zivilrechtlichen Eigentumsübergang). Dies ist zB der Fall beim Verkauf unter Eigentumsvorbehalt: zivilrechtlicher Eigentümer bleibt bis zur vollständigen Zahlung der Vorbehaltsverkäufer, wirtschaftlicher Eigentümer ist bereits der Vorbehaltskäufer, da dieser vertraglich zum Besitz der Vorbehaltsware berechtigt ist und den zivilrechtlichen Eigentümer von der Einwirkung auf die Vorbehaltsware vollständig ausschließen kann, indem er die gesicherte Schuld begleicht. Der dem zivilrechtlichen Eigentumsübergang vorangehende wirtschaftliche Eigentumswechsel hat einen Wechsel der personellen Zurechnung (und idR Gewinnrealisation) zur Folge.
Umgekehrt kann an einem beweglichen WG das zivilrechtliche Eigentum wechseln, ohne dass zugleich ein wirtschaftlicher Eigentumsübergang verwirklicht wird, so dass ein Zurechnungswechsel (und Gewinnrealisation) nicht/noch nicht erfolgen (zivilrechtlicher Eigentumsübergang ohne parallelen wirtschaftlichen Eigentumsübergang). Dies ist zB der Fall bei der Sicherungsübereignung beweglicher WG. Der Sicherungsgeber verliert zwar das zivilrechtliche Eigentum an sicherungsweise übereigneten WG (Bsp Pkw), er bleibt (bis zu einer tatsächlichen Verwertung des Sicherungsguts durch den Sicherungsnehmer) gleichwohl wirtschaftlicher Eigentümer, da er den Sicherungsnehmer von der Einwirkung auf das WG vollständig ausschließen kann, indem er die gesicherte Schuld vereinbarungsgemäß begleicht.
aa) Positivelemente tatsächlicher Sachherrschaft
aaa) Besitz
Rn. 189d
Stand: EL 142 – ET: 04/2020
Zivilrechtliche Eigentumsvermutung des (Eigen-)Besitzers: Zugunsten des Besitzers einer beweglichen Sache wird gemäß § 1006 Abs 1 S 1 BGB grds vermutet, dass er zivilrechtlicher Eigentümer der Sache ist. Erforderlich ist insoweit Eigenbesitz, dh der Besitzer muss die Sache als ihm gehörend besitzen (§ 872 BGB), für Fremdbesitzer, dh diejenigen, die eine Sache für einen anderen besitzen (Bsp Mieter, Pächter, Entleiher, Pfandgläubiger, Erwerber bei Eigentumsvorbehalt), scheidet die Eigentumsvermutung aus. Insoweit sie eingreift, führt sie bilanziell allerdings in eine Sackgasse: Zugunsten des Besitzers wird zivilrechtliches Eigentum vermutet, dieses ist zwar Ausgangspunkt der bilanziellen Zurechnung, bei abweichendem wirtschaftlichem Eigentum aber nicht entscheidend.
Zurechnungsrelevanter Besitzbegriff: Unter Besitz als zurechnungsrelevante Herrschaftsbefugnis bei beweglichen WG ist nicht der Eigenbesitz iS § 854 BGB, sondern vielmehr der "Besitz in Erwartung des Eigentumserwerbs" zu verstehen (zB BFH v 15.03.1973, VIII R 90/70, BStBl II 1973, 591; BFH v 15.03.2002, X B 175/01, BFH/NV 2002, 944; BFH v 13.01.2006, I B 93/05, BFH/NV 2006, 706; BFH v 01.02.2012, I R 57/10, BStBl II 2012, 407). Besitz ist die tatsächliche Herrschaft einer Person über eine Sache (§ 854 Abs 1 BGB). Zum Erwerb des Besitzes genügt die Einigung zwischen bisherigem Besitzer und Erwerber, wenn der Erwerber in der Lage ist, die Gewalt über die Sache auszuüben (§ 854 Abs 2 BGB). Besitz kann nur an eindeutig bestimmten Sachen verschafft werden; der Bestimmtheitsgrundsatz gilt bei der Besitzverschaffung durch Übergabe ebenso wie bei Besitzverschaffung durch Übergabeersatz; auch ein Besitzmittlungsverhältnis kann sich nur auf konkrete, individuell bestimmte Sachen beziehen (BGH v 13.06.1956, IV ZR 24/56, NJW 1956, 1315; BFH v 06.08.1971, III R 89/68, BStBl II 1972, 28).
Besitzloses wirtschaftliches Eigentum: Trotz der für bewegliche WG herausgehobenen Bedeutung des Besitzkriteriums schließt (noch) fehlender Besitz – ebenso wie bei der Zurechnung von Grundstücken (s Rn 170d) oder Beteiligungen an KapGes – auch insoweit eine Zurechnung zum Nichteigentümer nicht per se aus. Besitzloses wirtschaftliches Eigentum setzt gr...