Prof. Dr. Simone Briesemeister-Dinkelbach, Prof. Dr. Wolf-Dieter Hoffmann
Rn. 885
Stand: EL 89 – ET: 11/2010
Wenig konsistent ist die Rechtslage auch auf dem Gebiet des Ansatzes von sog Entfernungsverpflichtungen bzw den Ansammlungsrückstellungen (s § 6 Rn 669).
Beispiele:
- |
Rückbau eines Kraftwerks, |
- |
Gebäudeabbruch, |
- |
Hohlraumverfüllung, |
- |
generell Rekultivierung uÄ. |
In diesen Fällen ist der Beginn der wirtschaftlichen Tätigkeit notwendig mit der öff-rechtlichen Konzession verbunden, die wiederum nur unter Auflagen erteilt wird. Ein Kern- oder Wasserkraftwerk ist nach Ablauf der Konzession wieder zurückzubauen, ein Erdgasspeicher-Hohlraum ist wieder zu verfüllen, ebenso bei Bohrlöchern. Ein Kiesabbau muss nach Erschöpfung des Vorrates wieder aufgefüllt und mit Humus uÄ planiert werden. Mit Erhalt der Konzession ist also die Verpflichtung rechtlich begründet. Damit wäre an sich eine Rückstellungsbildung wenigstens nach Auffassung des I. BFH-Senats gem Urt I R 45/97 (s Rn 874) zu bilden, und zwar unter Gegenbuchung im Aufwand. Das Ergebnis wäre eine sofortige Passivierung einer riesigen Rückstellung zB im Falle eines Kernkraftwerkes noch vor Beginn der eigentlichen Produktion. Eine solche Bilanzierung wurde zwar schon im Schrifttum für zulässig erachtet, von der BFH-Rspr ist dies allerdings mit gutem Grund bisher nie so befürwortet worden. Die Frage ist nur, wie diese förmliche Abweichung von dem Bilanzierungsgebot rechtlich bestehender Verpflichtungen zumindest im Bereich der Umweltverpflichtungen zu begründen ist. Auch hier hilft wieder der Gedanke der wirtschaftlichen Verursachung. Diese wird in Form einer laufenden Aufwandsrealisierung durch den Produktionsbetrieb gesehen, was mehr oder weniger identisch ist mit dem angelsächsischen matching principle (s Rn 874). Diese Interpretation "passt" auf den Fall der Kiesgrubenausbeutung, weil tatsächlich der dort anfallende Aufwand durch das Ausmaß der aktuellen Ausbeute bestimmt wird. Umgekehrt verhält es sich bei einer Rückbauverpflichtung für ein Gebäude auf fremdem Grundstück oder ein Kraftwerk. Diese Verpflichtung besteht der Höhe nach unabhängig vom Umfang der Produktion (der "Ausbeute"). Hier lässt sich der ratierliche Aufbau der Rückstellung (s § 6 Rn 669) über die Laufzeit der Konzession eigentlich nur noch durch den sonst entstehenden unzutreffenden Ergebnisausweis (den True-and-fair-view-Gedanken) begründen, wozu dann das argumentative Faktotum "wirtschaftlich" herangezogen wird.
Dem gewünschten Ergebnis der periodengerechten Aufwandsverteilung käme man sehr viel leichter und gut begründbar (vgl Lüdenbach, BB 2003, 835) durch eine Aktivierung der mutmaßlichen Kosten für die Erfüllung der Abbruchverpflichtung nach, wie dies in der IFRS gefordert wird (Buchung: AK/HK an Rückstellungen). Vgl zur einschlägigen Rechtslage nach den IFRS Hoffmann in Lüdenbach/Hoffmann, Haufe IFRS-Komm, 5. Aufl, § 21 Rz 63ff.
Die deutsche Rechnungslegung sieht offensichtlich die Gegenbuchung für eine Rückstellungspassivierung immer im Aufwand. Dem § 249 Abs 1 HGB ist ein solcher Vorbehalt allerdings nicht zu entnehmen. Anderes gilt scheinbar nach § 5 Abs 4b EStG (s Rn 918). Aber auch dort ist der Buchungssatz AK/HK an Rückstellungen nicht per se ausgeschlossen. Verboten nach EStG ist lediglich die Rückstellungsbildung für künftig anfallende AK/HK. Ohne Schwierigkeiten können indes die Rückbauverpflichtungen für ein Kraftwerk etc den aktuellen AK/HK, nämlich zur Herstellung der Betriebsbereitschaft zugeordnet werden. Dann ist das Erfordernis der vollständigen Berücksichtigung von rechtlich vorhandenen Verpflichtungen auf öff-rechtlichem Gebiet erfüllt, und außerdem gelingt eine periodengerechte Zuordnung dieses mutmaßlichen Aufwandes. Eine solche Rechtsauffassung kann sich auch auf die Verfügung der OFD-Mchn/Nbg v 19.07.2000, WPg 2000, 1132 stützen, die für vorliegenden, aber noch nicht abgerechneten Anschaffungs- bzw Herstellungsaufwand (bei noch nicht abgerechneten Leistungen an fertigen Bauwerken) die Rückstellungsbildung nicht untersagt. Dem entspricht auch der Sinngehalt des Rückstellungsverbotes für AK/HK: Es soll eine Aufwandsverbuchung unterbunden werden, die durch in einem späteren VZ anfallende AK/HK konterkariert wird (offensichtlich kann man sich dann eine Stornierung dieser Aufwandsbuchung in diesem späteren Zeitraum ebenfalls nicht vorstellen).